Das Thema durchzieht den Katholikentag - mit und ohne AfD

"Seht, da ist der Flüchtling!"

Katholikentag bei Konfessionslosen - zwei Themen haben die Tage in Sachsen geprägt: Flüchtlinge und die AfD. Während des Treffens in der Fußballstadt Leipzig kam es auch zu Fouls und roten Karten.

Autor/in:
Thomas Winkel
Kickerspaß auf dem Katholikentag / © Harald Oppitz (KNA)
Kickerspaß auf dem Katholikentag / © Harald Oppitz ( KNA )

Freche Frage vorneweg: Was haben Flüchtlinge und die AfD gemeinsam? Beim Katholikentag sind beide Gruppen nicht vor Ort, aber irgendwie doch dabei. Inmitten der grünen Schals ziehen sie sich wie ein roter Faden durchs Programm. Politiker und Professoren, Präsidenten und Papst Franziskus in seiner Videobotschaft - sie alle äußern sich zu wenigstens einem der beiden Dauerthemen. Das dürfte nachhallen, auch wenn das Christentreffen von Leipzig zu Ende ist.

"Seht, da ist der Mensch" lautete das Motto der fünf Katholiken-Tage in der sächsischen Messestadt. Gerade mal vier Prozent der Einwohner sind katholisch. Das Glaubensfest sollte deshalb "offen sein für alle", wie das Programmheft plakativ verkündet. Mächtig für Zündstoff sorgte deshalb die Entscheidung der Veranstalter, keine Funktionäre der umstrittenen Alternative für Deutschland einzuladen - im Gegensatz etwa zur Linkspartei.

Deckmantel der Nächstenliebe 

In diesen Tagen hat die islamkritische AfD ihre Stimmlage nochmals aufgeraut und den Ton gegenüber den Kirchen verschärft. Vollmundig behauptete der bayerische AfD-Chef Petr Bystron, die Kirchen setzten aus Eigeninteresse auf eine weitere Zuwanderung von Flüchtlingen und verdienten unter "dem Deckmantel der Nächstenliebe" Milliarden Euro.

Katholiken-Komitee, Bischöfe und Minister wiesen das empört zurück. Die Verantwortlichen nahmen das AfD-Foulspiel als Beweis für die Richtigkeit ihrer Entscheidung, diesen Verein nicht auf den Platz zu lassen. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte die Sperre. Ja, Leipzig ist Fußball-Stadt und nun sogar Erste Liga...

Grübeln beim Katholikentag 

Doch in der zweiten Halbzeit des Katholikentags dann erstmals ein Grübeln auf der Betreuer-Bank: Ob die Mauer-Taktik zur AfD doch nicht richtig ist? "Wenn wir sie hier eingebunden hätten, wäre das Ganze vielleicht anders oder weniger wahrgenommen worden." Das räumte Claudia Lücking-Michel zwei Tage vor dem Schlusssegen ein. Die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Katholiken nennt es unklar, ob die Nichteinladung «wirklich klug war».

Eindeutiger positioniert sich ZDF-Moderatorin Maybrit Illner, die wegen der AfD-Dauergäste in ihrer Sendung selbst unter Druck steht. "Man muss mit ihren Anhängern und Vertretern diskutieren und nicht so tun, als gäbe es sie nicht. Vom Verschweigen verschwindet das Phänomen ja nicht", so die TV-Frau in einem Interview.

Wohl ähnlich denkt der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. "Ich hoffe, dass wir auch zu einem Dialog kommen mit allen, die andere Positionen haben", sagte er, ohne die Petry-Jünger ausdrücklich zu nennen. "Man muss miteinander sprechen." Die deutschen Bischöfe haben Heße zu ihrem Flüchtlingsbeauftragten ernannt, und nicht nur deshalb ist ihm der andere Dauerbrenner von Leipzig viel wichtiger. Tief beeindruckt lässt er sich im Bahnhof vorbei an Holzplanken führen, die als Boot zusammengestellt sind und mit Kinderbildern das Signal senden: Solidarität mit Flüchtlingen! Kaum ein Reisender, der daran achtlos vorbeigeht.

Lernen von den Kindern 

"Wir können von den Kindern mit ihrem ungeschminkten Blick viel lernen", bekannte der Erzbischof, der vom Katholikentag positiven Schwung mitnehmen will. "Wir packen das!", brachte er die Stimmung auf den Punkt. Die Spitzen von Staat und Kirche, Bundespräsident Joachim Gauck und Papst Franziskus, schnitten das Thema Flüchtlinge gleich beim Auftakt an. Gauck dankte den Kirchen für das, was sie hier "hauptamtlich wie vor allem ehrenamtlich" auf die Beine stellen. Doch trotz Boot und Bildern - auch handfeste Probleme stehen weiterhin im Raum.

Daher schlugen die sechs großen katholischen Hilfswerke Alarm. In einem Appell sprachen sie von "grundlegend benachteiligten Flüchtlingen", deren Versorgung immer schlechter werde. So wurde auf dem Katholikentag viel über, aber wenig mit Geflüchteten geredet. Aber es gab Ausnahmen, etwa wenn Frauen aus dem Nahen Osten ihr Schicksal schilderten. Und weil immer wieder Menschen auf der Flucht ertrinken, blieb auf manchem Podium bewusst ein Stuhl leer.

Ein doppeltes Symbol: Es ist noch Platz - und es fehlt jemand. Der AfD galt das wohl nicht.

 


Quelle:
KNA