Sachsens Ministerpräsident Tillich zum 100. Katholikentag

"Leipzig ist der passende Ort"

Das atheistische Leipzig hat eine bedeutende christliche Tradition, sagt Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Er findet die Stadt darum überaus geeignet für das Glaubensfest, das morgen beginnt.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich / © Sebastian Kahnert (dpa)
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich / © Sebastian Kahnert ( dpa )

KNA: Herr Ministerpräsident Tillich, worauf freuen Sie sich beim Katholikentag am meisten?

Stanislaw Tillich (Ministerpräsident von Sachsen/CDU): Das Motto des Katholikentages ist: 'Seht, da ist der Mensch'. Am meisten freue ich mich auf Begegnungen mit Menschen, auf angeregte Gespräche. Manche kommen aus Anlass des Glaubenstreffens vielleicht zum ersten Mal nach Leipzig und Sachsen. Wichtig erscheint mir auch der vorgesehene Dialog mit Menschen jüdischen oder islamischen Glaubens und mit nichtreligiösen Menschen.

KNA: Was bedeutet der Katholikentag für Sachsen?

Tillich: Dass gerade der Katholikentag zum 100. Jubiläum in Leipzig stattfindet, ist eine Ehre für Sachsen. Ich wünsche mir eine große Aufmerksamkeit für das Ereignis. Sachsen begrüßt die Gäste sehr herzlich in Leipzig. Stadt und Land wollen gute Gastgeber sein.

KNA: Ein christliches Glaubensfest in einer stark atheistischen Stadt - wird das funktionieren?

Tillich: Leipzig ist vor allem eine weltoffene Stadt. Sie hat eine bedeutende christliche Tradition, deren kultureller Prägung sich auch Nichtchristen kaum entziehen können. Die Thomaskirche steht für mehr als 800 Jahre Christentum, Chor und Bildung in humanitärer Verantwortung. Hier wirkte der wohl bedeutendste Kirchenmusiker überhaupt: Johann Sebastian Bach. Die Nikolaikirche ist ein Symbol für die friedliche Revolution in Sachsen. Wegen des steigenden Bedarfs der Katholiken in der Stadt wurde die Propsteikirche neu gebaut - inmitten der Stadt, gegenüber dem Rathaus. Leipzig ist ein sehr passender Ort für das Glaubensfest. Es ist eine stark von christlicher Kultur geprägte Stadt, obwohl Christen heute eine Minderheit sind.

KNA: Sie sind praktizierender Katholik. Inwieweit prägt das Ihren Arbeits- und Regierungsstil mit?

Tillich: Als katholischer Christ werde ich mir - gerade bei schwierigen Entscheidungen - immer wieder einer besonderen Verantwortung für den Nächsten bewusst. Es sind genau die Menschen, die für mich im Vordergrund stehen, von denen mir zeitlich begrenzt Verantwortung übertragen worden ist. Das heißt, ich mache Politik bewusst als Christ.

KNA: Sind Sie auch schon mal für Ihre Kirchenzugehörigkeit kritisiert worden?

Tillich: Zu DDR-Zeiten kam dies immer wieder vor, besonders in der Schul- und Studienzeit - das hat mich aber nicht beeindruckt.

KNA: Erleben Sie Glauben und Kirchen als eine integrative Kraft im Land?

Tillich: Unbedingt! Gerade aktuell sind es viele Christen, die aus christlicher Verantwortung Menschen helfen, die vor Krieg und Verfolgung zu uns geflüchtet sind. Die Kirchen in Sachsen betreiben viele karitative Einrichtungen, Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegeheime, Einrichtungen für behinderte Menschen. Das sind alles unverzichtbare Beiträge für unser Gemeinwesen. Die christlichen Kirchen tragen zur Sinnstiftung bei, wo der Staat nur Infrastruktur und einen organisatorischen Rahmen bieten kann. Nicht zuletzt sind Kirchen immer wieder Dialogräume für unsere Gesellschaft in bewegten Zeiten.

KNA: Welche Rolle spielt dabei die Ökumene?

Tillich: Christen verschiedener Konfessionen sind in Sachsen eine Minderheit der Bevölkerung. Nur rund 25 Prozent der Sachsen bekennen sich zum Christentum. Gerade deshalb hat die ökumenische Zusammenarbeit hohe Bedeutung. Sie greift positive Erfahrungen bei der Überwindung der Diktatur in der DDR auf. Die friedliche Revolution des Herbstes 1989 ging sehr stark von mutigen Christen aus - gerade auch in Leipzig.

KNA: Der Katholikentag greift auch das Thema Fremdenfeindlichkeit auf - Sachsen verbinden viele derzeit mit Pegida und Legida. Was tun sie gegen die zunehmend fremdenfeindlichen Entwicklungen?

Tillich: Die Staatsregierung setzt auf Dialog und wirbt intensiv für die Werte der Demokratie. Die weitaus meisten Bürgerinnen und Bürger teilen diese Werte offensichtlich und sind zum Austausch von Argumenten - auch mit kritischen Beiträgen - bereit. Wir stärken die politische Bildung. Konstruktive Auseinandersetzungen über Grundlagen und Ziele der Politik sind in einer Demokratie wichtig und zu begrüßen. Der Staat muss aber klare Grenzen ziehen und mit Mitteln des Rechtsstaates durchsetzen. Wenn es um Ausgrenzung Schwacher und Menschenverachtung bis hin zur Gewaltanwendung geht, müssen Polizei und Justiz eingreifen.

KNA: Die AfD ist beim Katholikentag ausdrücklich nicht auf einem Podium erwünscht. Wie beurteilen Sie die Entscheidung?

Tillich: Zum Programm des Katholikentages will ich keine Ratschläge erteilen. Aber nach meiner Kenntnis sind Menschen unterschiedlicher Überzeugungen zum Dialog eingeladen.

Das Interview führte Karin Wollschläger.


Quelle:
KNA