Der Mainzer Theologe Kruip zu einem Jahr Theologen-Memorandum

"Es war ein notwendiger Impuls"

Am Samstag vor einem Jahr veröffentlichten 150 Theologieprofessoren aus dem deutschsprachigen Raum ein Memorandum zu Reformen in der katholischen Kirche. Eine Bilanz des Mainzer Sozialethikers und Mitinitiators der Denkschrift, Gerhard Kruip.

 (DR)

KNA: Herr Professor Kruip, was hat das Memorandum gebracht? Gibt es konkrete Ergebnisse?

Kruip: Zunächst haben wir uns sehr gefreut über die überraschend breite Reaktion. Außerordentlich viele Professorinnen und Professoren haben unterschrieben, die Medienresonanz war sehr groß und auch aus dem Ausland gab es großes Interesse. Nach wenigen Tagen hatten wir eine ganze Reihe von Übersetzungen des Memorandums. Viele Teilnehmer von Veranstaltungen zeigten sich sehr dankbar. Einige meinten, sie hätten schon aus der Kirche austreten wollen, hätten aber nun doch wieder Hoffnung geschöpft. Der Papstbesuch war dann eher enttäuschend. Mit keinem Wort hat der Papst zum Dialog ermutigt oder den Dialogprozess auch nur erwähnt. Konkrete Ergebnisse gibt es selbstverständlich noch keine. Aber in vielen Diözesen und auf der Ebene der Bischofskonferenz sind Dialogprozesse in Gang gekommen. An diesen Dialogen müssen wir uns nun konsequent und nachhaltig beteiligen. Es ist klar, dass sich die Kirche nicht von heute auf morgen ändern kann.



KNA: Die Bischöfe haben sich teilweise unter Druck gesetzt gefühlt. Hat es auch negative Auswirkungen gegeben?

Kruip: Bis jetzt habe ich selbst keine negativen Konsequenzen zu spüren bekommen. Ich bin in alle Beratungsgremien, darunter eine Kommission und eine Unterkommission der Bischofskonferenz, wieder hineinberufen worden. Ich hörte, es habe darüber Diskussionen unter den Bischöfen gegeben. Aber es ist klar, dass die Bischöfe nicht glaubwürdig einerseits einen Dialogprozess in die Wege leiten können und andererseits die kritischen Kräfte aussperren. Ich weiß auch nichts davon, dass andere Nachteile erlitten haben.



KNA: Würden Sie so ein Projekt noch einmal starten?

Kruip: Jetzt würde die Neuauflage einer solchen Aktion natürlich nicht sinnvoll sein. Aber ich habe es nie bereut, dass wir das gemacht haben. Ich finde nach wie vor: Es war ein notwendiger Impuls.



KNA: Wie bewerten Sie den Dialogprozess bislang?

Kruip: Der Auftakt in Mannheim war bemerkenswert ergebnisoffen und ermutigend. Die Bischöfe, die daran teilgenommen haben, haben sich wirklich für den Dialog geöffnet. Die nächsten Gelegenheiten zur Fortführung des Dialogs sind auf Bundesebene der Katholikentag in Mannheim und die Dialogveranstaltung der Bischofskonferenz über Diakonie im September. Irgendwann müssen freilich auch die schwierigeren Themen deutlich angesprochen werden. Das wird sicher nicht einfach. Trotzdem muss man sich auch diesen Themen offen stellen.



KNA: Sehen Sie dafür Signale?

Kruip: Die Stellungnahme des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, zur ZdK-Erklärung "Für ein partnerschaftliches Zusammenwirkungen von Frauen und Männern in der Kirche" vom 18. November, die er als eine "erhebliche Belastung für das Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK" bezeichnete, stimmt leider nicht optimistisch. Ein wirklicher Dialog muss es aushalten können, dass Gesprächsteilnehmer Forderungen aufstellen, die den anderen nicht gefallen. Es wäre kein Dialog, wenn man sich gegenseitig immer nur versicherte, wie sehr man sich achtet, ohne die Streitpunkte beherzt anzugehen. Es reicht freilich auch nicht, jahrelang nur zu reden, ohne dass dies auch Konsequenzen hat. Ob der Dialogprozess wirklich zu kirchlichen Reformen führt, wird wohl vor allem davon abhängen, wie mutig die reformbereiten Bischöfe ihre Verantwortung für das pilgernde Gottesvolk wahrnehmen.



KNA: Wie sollte es weitergehen? Wo sehen Sie wichtige Ziele und mögliche Erfolge?

Kruip: Einige Bischöfe haben meinem Eindruck nach verstanden, dass es zeitnah zumindest in manchen Bereichen konkrete Fortschritte geben muss. Am ehesten scheint mir dies bei der Frage der Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten möglich zu sein. Entsprechende Erwartungen haben ja auch einige Bischöfe schon geäußert. Weitere konkrete Einzelschritte sollten im Bereich der Ökumene und in der Zölibatsfrage möglich sein. Wenn sich in diesen oder anderen Feldern mit großem Reformbedarf in den nächsten Jahren gar nichts bewegen ließe, würden viele engagierte Katholiken frustriert sein und sich aus ihrem kirchlichen Engagement zurückziehen. Das bedrückende daran wäre, dass das Potenzial für Veränderungen immer schwächer würde, bis möglicherweise nur ein sehr konservativer, reformunwilliger Teil der Kirche übrig bleibt. Eine solche Kirche kann zu heutiger Zeit meines Erachtens aber nicht mehr überzeugend die Kirche Jesu Christi sein.



Das Gespräch führte Christoph Arens .