Golgota, Via Dolorosa und Jesusgrab

Auf archäologischer Spurensuche

Christen aus aller Welt pilgern an den Ostertagen nach Jerusalem, um die Stationen Christi zu erleben. Das Problem: Von vielen Orten weiß man, dass sie gar nicht da waren, wo sie heute verehrt werden.

Autor/in:
Renardo Schlegelmilch
Äthiopische christliche Pilger in Jerusalem  / © Dan Balilty/AP/ (dpa)
Äthiopische christliche Pilger in Jerusalem / © Dan Balilty/AP/ ( dpa )

Es ist ein wenig Detektivarbeit die hier geleistet wird. Nicht nur Theologen, sondern auch Archäologen sind in Jerusalem aktiv, um die Orte der Bibel ausfindig zu machen. Prof. Dr. Dr. Dr. Dieter Vieweger arbeitet hier seit 25 Jahren. Er ist Archäologe und evangelischer Pfarrer. Wie ein Detektiv arbeitet er mit Indizien, zum Beispiel, wenn es um den Ort der Kreuzigung geht, den Felsen Golgota. "Ich kann das Ereignis als Archäologe nicht beweisen. Was ich aber belegen kann, ist, dass wir an dieser Stelle einen riesigen Steinbruch haben, dass da ein großes Stück übrig geblieben ist, und dass Jesus außerhalb von Jerusalem hingerichtet werden musste. An Pessach durfte kein Blut, keine Verunreinigung die Stadt berühren."

Zudem beschreiben schon Pilgererzählungen der ersten Jahrhunderte, dass über den Felsen Golgota ein Tempel der Aphrodite errichtet worden ist. Auch Überreste dieses Tempels hat man an dem Felsen gefunden, der heute als Golgota verehrt wird. Ein Ort der damals auf einem Hügel oberhalb der Stadt Jerusalem lag. "Man konnte das Schreien von innen, von der Stadt her, hören. Und das Geschehen war auch gut zu sehen innerhalb der Stadtmauern", erklärt der Archäologe.

"Wir wissen, wo Jesus verurteilt"

So ist Golgota nur einer von zwei Orten, die man wirklich als historischen Schauplatz belegen kann. Der andere ist die Klagemauer, die als Mauer des David-Tempels identifiziert wurde. Damals allerdings 14 Meter tiefer als heute. Das Stadtniveau ist in 2000 Jahren um einiges angestiegen. Ein Ort den man archäologisch widerlegen kann, ist die Via Dolorosa, der Kreuzweg. Vieweger: „Wir können heute mit Sicherheit sagen, dass die Wegführung falsch ist. Sie führt zur Grabeskirche hin, nach Golgota. Das ist korrekt, aber sie führt von Nordosten her hin. Wir wissen heute genau, wo Jesus verurteilt wurde. Das war im damaligen Herodes-Palast. Den kennen wir heute, der ist ausgegraben. Das heißt wir wissen, dass die Via Dolorosa nicht von Nordosten, sondern von Südwesten gekommen ist.“

Der Felsen Golgota und die Via Dolorosa sind also belegt, bzw. widerlegt. Bei den meisten archäologischen Fundorten ist das aber die Ausnahme. Bei vielem kann man nur von Wahrscheinlichkeiten sprechen. So auch vom leeren Jesusgrab. Im vierten Jahrhundert wurde das als eines von fünf Gräbern im gleichen Steinbruch wie der Golgota-Felsen entdeckt. Selbst damals konnte man aber auch nur mit Indizien arbeiten. "Man hat dort fünf Gräber entdeckt“, erklärt Prof. Vierweger. "Vier davon sind Familiengräber, eines ein Einzelgrab. Es hat eine Kammer, es ist frisch, es hat einen Rollstein und es ist leer."

Keine Geschichte rekonstruieren

Genug Indizien um den Ort als Jesusgrab zu verehren, damals wie heute. Bei der Verehrung kommt es dem Archäologen und Pfarrer allerdings noch nicht mal unbedingt darauf an, ob das Geschehen wirklich an diesem Ort stattgefunden hat. Es ist für ihn eher eine Frage des persönlichen Glaubens.

"Wir können keine Geschichten rekonstruieren durch Archäologie, nur Wege, Straßen, Städte, Mauern oder Häuser, nicht aber die Ereignisse darin. Wir müssen uns davon frei machen, dass wir immer nur Schwarz und Weiß kennen. Es ist richtig, und wenn es nicht richtig ist, dann ist es falsch. Oder wenn es nicht falsch ist, dann muss es richtig sein. In der Wissenschaft muss man aushalten, dass man manchmal weder über das eine noch das andere sprechen kann. Dann hat man Wahrscheinlichkeiten."

 


Quelle:
DR