Erzbischof Gänswein im großen domradio.de-Interview - Teil 3

"Barmherzigkeit soll unser Leben prägen"

Im großen domradio.de-Interview spricht Erzbischof Georg Gänswein ausführlich über Ostern, seine Arbeit und die Theologie der Kar- und Ostertage. Im dritten Teil: Seine persönliche Sicht auf Ostern. 

Erzbischof Georg Gänswein / © Andreas Gebert (dpa)
Erzbischof Georg Gänswein / © Andreas Gebert ( dpa )

domradio.de: Diese großen Liturgien der Kar- und Ostertage - das sind lange, intensive Gottesdienste - sind durchaus anstrengend für die Mitfeiernden. Wie steht Papst Franziskus, der in diesem Jahr ja 80 Jahre alt wird, das alles durch? 

Erzbischof Georg Gänswein (Präfekt des päpstlichen Hauses): Es ist immer wieder erfreulich und auf der anderen Seite auch unverständlich, wie Papst Franziskus im Alter so viel Energie hat und so energisch und kraftvoll nicht nur die Osterfeiern, sondern auch anderes durchsteht. Er hat eine Kraftquelle in sich, die meines Erachtens nur mit seinem intensiven geistlichen Leben zu erklären ist.

domradio.de: Wird Ostern in Rom eigentlich anders gefeiert als in Deutschland, gibt es da spezielle Besonderheiten? 

Gänswein: Wenn ich an meine Jugend und meine Kindheit in Deutschland denke und jetzt an Rom, muss ich gestehen: Es gibt eine Reihe von Osterbräuchen, die ich aus meiner Kindheit kenne, die ich hier in Rom nicht angetroffen habe, die wir Deutschen aber in den Vatikan mitgenommen haben. 

domradio.de: Welche sind das zum Beispiel?

Gänswein: Das Osterfrühstück ist etwas, was ich hier in Rom nicht kennengelernt habe. Und auch Ostersträuße habe ich hier in Rom nur dort angetroffen, wo deutsche Katholiken waren. 

domradio.de: Fehlt Ihnen das manchmal... das und vielleicht auch der ein oder andere Gesang im Gottesdienst?

Gänswein: Da haben Sie völlig recht. Was das Singen in den Gottesdiensten betrifft - ich spreche jetzt nicht vom Petersdom, sondern allgemein von Italien - da würde ich mir schon mehr und auch etwas lebendigere und kräftigere Lieder wünschen.

domradio.de: In vielen Gemeinden hier in Deutschland ist es ja üblich, dass nach der Osternacht gefeiert wird - zum Beispiel in den Gemeindesälen - und dass auch die Priester gemeinsam anstoßen und feiern. Passiert das eigentlich im Vatikan auch? Stoßen Sie mit dem Papst noch auf ein Glas Rotwein an?

Gänswein: Im ersten Jahr seines Pontifikates, als ich in der Osternacht in Santa Marta übernachtet habe, hat er uns alle auf ein kleines Glas Sekt und etwas Süßes eingeladen. Im Kloster mit Papst Benedikt ist es so: Wenn ich aus der Osternacht im Petersdom komme, hat sich Papst Benedikt schon zurückgezogen. Aber ich stoße dann mit den Memores auf Ostern an. 

domradio.de: Wie feiern Sie dann persönlich Ostern. Bleibt es beim Anstoßen oder passiert dann am Ostersonntag noch mehr?

Gänswein: Am Ostersonntag ist nach dem Ostergottesdienst das Osterfrühstück oder - modern gesagt - der Brunch. Da ich aber zuerst Papst Franziskus auf den Petersplatz begleite, dort an der Messe und anschließend am Segen Urbi et Obri teilnehme, komme ich erst um halb eins heim und steige dann recht spät ins Osterfrühstück ein.

domradio.de: In der Predigt an Palmsonntag hat der Papst gesagt, Jesus hätte die Macht gehabt, vom Kreuz abzusteigen, aber er wollte die Provokation nicht, dass das Böse mit Gewalt besiegt wird. Statt dessen gibt er sich hin und zeigt seine Barmherzigkeit. Inwieweit ist dieses Vorbild des am Kreuz hängenden Jesus für uns eine Richtschnur?

Gänswein: Es ist eines der großen Geheimnisse, dass der Allmächtige Gott uns Menschen hätte anders erlösen können, es aber nicht tat. Er hat sich hinabgebeugt, hat in Demut seinen Sohn geopfert - das ist ein sehr gefährliches Wort aber ich sage es trotzdem. Der Sohn hat dieses Opfer angenommen - denken wir an die Ölberg-Szene. Das bedeutet konkret, dass wir dieses Verhalten der Barmherzigkeit auch im eigenen Leben führen sollen.

Das Interview führte Matthias Friebe.