Pfarrvikar Frings äußert Verständnis für Karnevalsabsage

"Karneval geht nur in Gemeinschaft"

Dass Karneval wegen der Corona-Einschränkungen in der kommenden Session anders sein würde, hatten die meisten Jecken geahnt. Für eine Absage hätte Pfarrvikar Thomas Frings, selbst im Kölner Karneval unterwegs, Verständnis.

Karnevalisten / © Federico Gambarini (dpa)
Karnevalisten / © Federico Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie sehr blutet Ihnen das Herz, wenn man sich überlegt, dass der Karneval ausfallen könnte?

Thomas Frings (Pfarrvikar in der Kölner Innenstadt und Mitglied der Kölner Karnevalsgesellschaft "Die Große von 1823"): Das ist blutleer!

DOMRADIO.DE: Sie haben es aber auch schon geahnt, oder?!

Frings: Ich habe es verdrängt. Ich wollte es nicht wissen und auch nicht drüber nachdenken.

DOMRADIO.DE: Warum finden Sie es so schwierig?

Frings: Karneval geht nur in Gemeinschaft. Wie wollen Sie alleine schunkeln? Wie wollen Sie alleine singen? Wie wollen Sie auf Distanz sitzen und Stimmung herstellen? Ich denke natürlich auch an gottesdienstliches Geschehen: das ist etwas, wo Menschen nicht nur um der Gemeinschaft willen kommen, sondern auch zum Teil, um Stille oder Meditation zu finden. Viele suchen den Platz im Seitenschiff oder hinter der Säule. Das geht alles im Karneval nicht. Das geht überhaupt nicht.

DOMRADIO.DE: Die Kölner Vereine sind, vornehm ausgedrückt, nicht erfreut. Wahrscheinlich toben die innerlich. Man müsse nicht heute das verbieten, was in einem halben Jahr stattfindet. Das hat Michael Kramp vom Festkomitee gesagt. Sehen Sie das auch so?

Frings: Der Politiker muss das eine sagen und der vom Festkomitee muss das andere sagen. Die Hoffnung haben sie, glaube ich, alle noch, dass es trotzdem stattfinden kann.

DOMRADIO.DE: Haben Sie Verständnis für Spans Bedenken?

Frings: Ja, auf jeden Fall.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es denn für die Karnevalsvereine, für die vielen Künstler oder auch für Sitzungspräsidenten, wenn Karneval jetzt abgesagt werden sollte?

Frings: Für mich bedeutet das noch am wenigsten eine Konsequenz, aber für die Künstler, die davon leben, ist das echt schwer. Manche leben ja von der fünften Jahreszeit. Die verdienen ihr Geld zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch.

Ich sehe auch die ganzen Kneipen, die an Karneval Unmengen umgesetzen, von denen Exisitenzen abhängen. Dazu gehört ja nicht nur der Einzelne, der da arbeitet, sondern auch dessen Familie und dessen Kinder, wo die Miete bezahlt werden muss. Da hängt ein Rattenschwanz dran.

DOMRADIO.DE: Wäre denn auch eine abgespeckte Version denkbar oder ist Karneval ohne Schunkeln und ohne Bützen gar nicht drin?

Frings: Vielleicht kommt man um eine abgespeckte Version gar nicht drum herum, weil man es nicht ganz verbieten will oder sagen kann, dass es gar nicht stattfindet. Es wird aber gänzlich anders ausfallen. Ich kann es mir nur ganz schwer anders vorstellen. Eine Nähe ohne Schunkeln, ohne Bützen, ohne Singen? Wie wollen Sie denn Kneipenkarneval oder Sitzungskarneval ohne Singen machen? Mit Mundschutz geht auch nicht.

DOMRADIO.DE: Die Mainzer haben gesagt: Der Sitzungskarneval wird kleiner stattfinden und draußen die Umzüge nicht. Da hab ich mich gewundert und gedacht: Wieso drinnen etwas stattfinden lassen und draußen nicht? Wie sehen Sie das?

Frings: Wie wollen Sie es draußen machen mit Abstandsregeln? Die Wagen können vielleicht noch fahren und Abstand halten. Aber wie wollen sie auf der Straße die Leute auseinandersetzen mit festen Punkten, wo jeder stehen darf? Es kommt nicht dieselbe Stimmung dabei auf. Ich stelle es mir wirklich ganz schwer vor.

DOMRADIO.DE: Rosenmontagszug ohne Publikum nur vor dem Fernseher ist auch nicht schön?!

Frings: Nein, das ist wie Fußballspielen in leeren Stadien, wo dann der Applaus eingespielt wird. Wo sollen die die Kamelle hinschmeißen, wenn keiner unten steht?

DOMRADIO.DE: Sitzungskarneval mit wenigen Personen im großen Saal?

Frings: Es wird eine ganz andere Stimmung werden, wenn man es macht. Und wer entscheidet, wer reinkommen darf und wer nicht? Macht es der Herr, der den Saal betreibt? Lohnt sich der Aufwand für ein Drittel der Leute?

DOMRADIO.DE: Viele, viele Fragen, die noch offen sind. Was wäre denn Ihr Vorschlag an die Politik? Abwarten oder jetzt schon konkrete Entscheidungen treffen?

Frings: Ich mache den Politikern keine Vorschläge. Die haben sowieso einen ganz, ganz schweren Job im Moment zu machen. Und an der Stelle bin ich vielleicht wirklich richtig deutsch. Ich füge mich dem, was da entschieden worden ist, worüber diskutiert wurde. Man kann manches auch anders sehen, aber ich glaube, die Entscheidungen sind dann gefällt, und dann halte ich mich da dran. Ich sehe unseren Staat nicht in Gefahr dadurch, dass Entscheidungen manchmal auch gefällt werden, an die ich mich schlichtweg auch halte.

DOMRADIO.DE: Man kann es richtig spüren und heraushören, wie sehr Ihnen das weh tut, wenn Karneval ausfällt: haben Sie denn schon gleichzeitig irgendwelche Ideen im Kopf, was Sie mit Ihrer Gemeinde dann tun würden?

Frings: Im Karneval in der Gemeinde haben wir sehr schöne kleine Sitzungen, im Mauritiussaal natürlich, aber die wird ja auch nicht gehen. Das wird nicht wirklich funktionieren, wenn wir Abstände einhalten müssen. Normalerweise können da vielleicht 50, 60, 70 Leute in den Pfarrsaal rein. Dasselbe mit 20 zu machen? Ich kann es mir ganz schwer vorstellen.

Das Gespräch führte Dagmar Peters. 

Thomas Frings

Thomas Frings wurde 1987 in Münster zum Priester geweiht und war im Bistum Münster zunächst als Kaplan und von 1991 bis 2016 als Pfarrer im Einsatz.

Der Seelsorger hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, nachdem er im Februar 2016 als Pfarrer und Moderator des Priesterrats des Bistums Münster zurückgetreten war.

Thomas Frings (privat)
Quelle:
DR