Wenn Geistliche plötzlich auf der Karnevalsbühne stehen

"Jesus war einer, der auch gerne gefeiert hat"

Kirche und Karneval – zwei Institutionen, die schon aus Tradition irgendwie verbunden sind, auch wenn es nicht immer passt. Interessant wird es, wenn der Geistliche plötzlich auch auf der Karnevalsbühne steht.

Autor/in:
Johannes Senk
Thomas Frings mit dem Kölner Karnevalsprinz Christian II. / © Rainer Gries (privat)
Thomas Frings mit dem Kölner Karnevalsprinz Christian II. / © Rainer Gries ( privat )

"Humor ist Teil der Religion" - der Satz aus dem Abschlussgedicht einer jeden Rede von Willibert Pauels zeigt den Grundgedanken des Büttenredners: Geistliche und karnevalistische Berufung können vortrefflich Hand-in-Hand miteinander gehen. Als "Bergischer Jung" tourte der katholische Diakon Pauels rund 20 Jahre über die großen rheinischen Sitzungsbühnen und ließ sich in der "Bütt" über viele Facetten des Lebens aus, auch über die Kirche.

Inzwischen hat sich der "Bergische Jung" rarer gemacht. Doch lange Zeit schaffte er den Spagat zwischen Ambo und "Bütt" mit Bravour und wurde so zu einem der bekanntesten Vertreter beider Institutionen. Und das Beispiel hat Schule gemacht:

Zu einer besonderen närrischen Ehre kam so jüngst der Kölner Pfarrer Thomas Frings. Die älteste Karnevalsgesellschaft der Stadt, "Die Große von 1823", kürte ihn zu ihrem neuen Sitzungspräsidenten - ein wichtiges Amt, das dem Priester auch etwas Lampenfieber bereitet, wie er dem katholischen Kölner Internetportal DOMRADIO.DE gestand.

Karneval in den Genen

Die Verbindung zum Karneval in der Domstadt liegt dem Großneffen des ehemaligen Kölner Erzbischof Joseph Frings in den Genen. Schon während seiner Zeit im münsterländischen Dorsten war er zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch dort in der Gemeinde "nicht mehr zu sehen". Die Verbindung seines geistlichen Amtes mit dem karnevalistischen sieht er gelassen. Mit "grundkatholischer" Einstellung schaue er nicht nach den Unterschieden, sondern den Gemeinsamkeiten.

Natürlich seien der Dienst am Altar und im Elferrat nicht ein und dasselbe. Aber in dem Moment, wo er nicht zu Gott, sondern zu den Menschen spricht, habe das sehr viel mit dem zu tun, was er auch auf der Bühne im Gürzenich mache, erklärt Frings. "Ich kommuniziere mit den Menschen und gehe auf sie zu."

Aber auch abseits der "großen Bühne" in der Karnevalshochburg finden sich Symbiosen von Priester- und Karnevalsamt. Ein äußerst bemerkenswertes Projekt fand 2018 in Heinsberg statt. Hier regierten mit Prinz Markus (Bruns), Jungfrau "Reni" (Rene Mertens) - beide katholisch - und Bauer Martin (Jordan) - evangelisch - gleich drei hauptamtliche Pfarrer das närrische Treiben.

Kritik und Herzlichkeit

Das nach eigenen Angaben bundesweit erste "geistliche Dreigestirn", entstand damals auf Initiative der Pfarrer, erinnert sich Mertens: "Wir haben es dem Heinsberger Karnevalsverein vorgeschlagen, und die waren begeistert." Sicher habe es auch Kritik gegeben, etwa dass die Kirche sich aus Karneval heraushalten solle. In der Regel seien die drei Geistlichen im Kostüm aber herzlich empfangen worden. "Es geht doch darum, den Menschen Freude zu machen. Und die Frohe Botschaft kann sich sehr gut auch auf diesem Wege verbreiten", so Jungfrau "Reni".

Was in Heinsberg gut funktioniert hat, versucht in diesem Jahr in ähnlicher Weise auch die "Kleine Arnsberger Karnevalsgesellschaft" im Sauerland: Wieder dem Gedanken der Ökumene folgend, stellt sie mit dem katholischen Propst Hubertus Böttcher und dem evangelischen Pfarrer Johannes Böhnke gleich zwei "Prinzenregenten".

"Das Froh-sein" können Priester vom Prinzen lernen

"Hubertus, die himmlische Eingebung" und "Johannes, der treue Hirte" - so die offiziellen Prinzentitel der beiden Geistlichen - sehen sich mit dem Evangelium im Einklang: "Wir glauben, dass Jesus einer war, der zu den Leuten hin gegangen ist, der auch gerne gefeiert hat", sagt Böttcher. Könne den auch der Priester etwas vom Prinzen lernen? "Das Froh-sein", antwortet der Propst sofort. "Seitdem ich auf den Sitzungen unterwegs bin, habe ich so viel gelacht, wie lange nicht mehr. Man begegnet nochmal ganz anders dem Leben."

Allerdings verläuft die Symbiose von Karneval und Kirche nicht immer so reibungslos: Der ehemalige Pfarrer im hessischen Flörsheim, Sascha Jung, trat als "Fastnachtspfarrer" neben seinem Dienst am Altar auch als Büttenredner auf Sitzungen im Rhein-Main-Gebiet auf. Seine offenen Reden - auch über Liebe, Sex und Zölibat - brachten ihm jedoch viel Kritik ein: von Beschwerdebriefen konservativer Katholiken, bis hin zu einem "Shitstorm" in den sozialen Netzwerken.

Jung zog sich daraufhin aus dem aktiven Karneval zurück und bat im vergangenen Jahr auch darum, vom Priesteramt entbunden zu werden.


Willibert (DR)
Willibert / ( DR )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema