Konfessioneller Karnevalswagen wirbt für Toleranz

"Gemeinsam Jeck!"

Beim diesjährigen Rosenmontagsumzug rollt ein ganz besonderer Mottowagen durch Düsseldorf: der Toleranzwagen. An der Idee der Jüdischen Gemeinde beteiligen sich auch Christen und Muslime.

Karnevalswagen / © Oliver Berg (dpa)
Karnevalswagen / © Oliver Berg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Toleranzwagen gilt als konfessioneller Wagen im Karneval – als erster Mottowagen dieser Art überhaupt. Was steckt dahinter?

Michael Szentei-Heise (Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf): Dahinter steckt die Analyse, dass Zentrifugalkräfte die Gesellschaft auseinanderzureißen drohen und viele Menschen religiös verwurzelt sind. Die Idee war, diese religiöse Verwurzelung sichtbar zu machen.

DOMRADIO.DE: Der Entwurf dieses Karnevalswagens wurde bereits öffentlich vorgestellt. Sie haben ein Foto mitgebracht: Auf diesem Wagen sind eine evangelische Pfarrerin, ein jüdischer Rabbiner, ein katholischer Priester und ein muslimischer Imam zu sehen – alle mit roten Pappnasen, die gemeinsam Karneval feiern. Daneben sind noch die entsprechenden Gotteshäuser in Düsseldorf zu sehen. Der Entwurf stammt von Wagenbauer Jacques Tilly. Entspricht er ihren Vorstellungen?

Szentei-Heise: Absolut. Als Tilly den ersten Entwurf vorgelegt hat, habe ich 20 Sekunden darauf geschaut, ihn dann sofort angerufen und gesagt: "Jacques, du bist ein Genie!"

DOMRADIO.DE: Welche Religionsgemeinschaften beteiligen sich denn an dem Wagen?

Szentei-Heise: Die katholische und die evangelische Kirche, der Kreis der Düsseldorfer Muslime – das ist eine Dachorganisation aller 35 Moscheegemeinden in Düsseldorf – und die Jüdische Gemeinde Düsseldorf.

DOMRADIO.DE: Schauen wir zurück auf die letzten Wochen und Monate. Ab welchem Zeitpunkt haben Sie gedacht, aus dieser Idee könnte etwas werden?

Szentei-Heise: Eigentlich schon, als die Idee geboren wurde: Sie kam vom Lokalchef der Rheinischen Post in Düsseldorf, Uwe Heinz Ruhnau, der sagte: Wir sollten was mit den Konfessionen machen. Nachdem die Gespräche mit der katholischen und der evangelischen Kirche und dem KDDM gelaufen waren, die eigentlich sofort genickt haben, war klar, dass der Wagen zustande kommt. Da ging es jetzt nur noch um die Verwirklichung, die Details.

Der Wagen in diesem Jahr ist nicht der erste Wagen der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Im vergangenen Jahr haben wir mit dem Heinrich Heine-Wagen den größten jüdischen Sohn der Stadt Düsseldorf gefeier. Es war das erste Mal überhaupt, dass eine jüdische Gemeinde mit einem Mottowagen in den Rosenmontagszug gegangen ist.

DOMRADIO.DE: Warum setzen Sie mit einem Karnevalswagen ein Zeichen für Toleranz?

Szentei-Heise: Es gibt bestimmte Eigenheiten in jeder Gesellschaft. Das geht runter bis in die Kommune, die einfach spezifisch für diese Gesellschaft ist. Und erst, wenn man in diesen Bereichen drin ist, ist man wirklich angekommen und erreicht die Bevölkerung. In den drei Karnevalshochburgen Mainz, Köln und Düsseldorf ist das eben der Karneval. 

Und erst, wenn man im Karneval auf die Straße geht und das eigene Anliegen bis zu eine Million Menschen erreicht, dann wird das Anliegen von der Stadtgesellschaft verstanden. Deswegen der Mottowagen im Rosenmontagszug.

DOMRADIO.DE: Wie ist bisher das Echo auf diesen Wagen?

Szentei-Heise: Hervorragend. Alle, die sich damit beschäftigt haben sagen: Tolle Idee, große Klasse, es gibt nur Unterstützung. Finanziell ist aber noch Luft nach oben.

DOMRADIO.DE: Kommen wir darauf zu sprechen. Gut 65.000 Euro benötigen Sie für den Wagen, Kostüme und Kamelle. Wie genau organisieren Sie die Finanzierung?

Szentei-Heise: Wir haben ein Crowdfunding-Projekt aufgelegt. Man hat im Internet die Möglichkeit, über PayPal eine Spende zu machen. Bislang sind darüber knapp 30.000 Euro zusammengekommen von den 65.000 benötigten. Das heißt, wir haben noch eine Lücke von 35.000. Ich hoffe, dass wir die in den kommenden drei Wochen weitgehend schließen können. Über Crowdrange kann man per PayPal oder mit dem Bankkonto spenden.

Ab einem gewissen Betrag bekommt man als Spender auch einen speziellen Karnevalsorden: Die Grundlage ist der Davidstern, der sechseckige Stern – auch als jüdisches Symbol bekannt. In der Mitte dieses Davidsterns sind drei Geistliche abgebildet: ein Imam, ein Rabbiner und ein Priester. Alle drei haben eine rote Pappnase auf: Das ist eine Aufforderung an die Menschen, sich eben nicht immer so ernst zu nehmen, wie sie es häufig tun. Darüber steht das Düsseldorfer Karnevalsmotto 2019: "Gemeinsam Jeck!" Und in den Spitzen des Sternes sind die einzelnen Gotteshäuser und einzelnen Bausymbole aus der Stadt Düsseldorf. Es ist ein sehr, sehr hübscher Orden.

DOMRADIO.DE: Wissen Sie schon, welches Kostüm Sie auf dem Wagen tragen?

Szentei-Heise: Nein, wir haben die Kostüme komplett freigegeben. Die erste Überlegung, "alle sind als Geistliche gekleidet", fanden wir dann doch zu langweilig. Deswegen haben wir die Kostümwahl freigegeben. Eine bunte Mischung wäre am besten: vom Indianer über den Raumfahrer bis hin zum Maikäfer oder was auch immer.

Das Gespräch führte Beatrice Steineke.


Wagenbaumeister Jacques Tilly (l.), und die Vertreter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Walter Schuhen und Michael Szentei-Heise (r.) stellen den "Toleranzwagen" vor / © Christian Hammer (KNA)
Wagenbaumeister Jacques Tilly (l.), und die Vertreter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, Walter Schuhen und Michael Szentei-Heise (r.) stellen den "Toleranzwagen" vor / © Christian Hammer ( KNA )
Quelle:
DR
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