Von der hohen Kunst des Witzes und des Redens

Kanzel und Bütt

Haben Büttenrede und Predigt etwas gemeinsam? Was macht eine gute Büttenrede aus? Karnevals-Rhetorik-Trainer Marco Ringel und Büttenredner und Theologe Martin Korden klären auf.

Autor/in:
Melanie Trimborn
Karnevalssitzung in Köln: Nur noch mit 2G oder 3G plus? / © Henning Kaiser (dpa)
Karnevalssitzung in Köln: Nur noch mit 2G oder 3G plus? / © Henning Kaiser ( dpa )

Auf den ersten Blick spricht doch dort einer von der Kanzel?! Wenn der "Obermessdiener" Andreas Schmitt in seinem liturgischen Gewand vor einem verzierten Rednerpult steht, ist die Assoziation perfekt. Er redet zu seinem Publikum, allerdings nicht zu Gemeindemitgliedern, sondern als Büttenredner zu Karnevalisten beim Sitzungskarneval. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund: Kirche und Gesellschaft bekommen gleichermaßen ihr Fett weg. Aber es geht auch anders herum. Der Diakon Willibert Pauels etwa tritt auf Sitzungen als Büttenclown auf. Anders als bei der Predigt oder anderen Reden, soll es hier aber um etwas anderes gehen: Den Humor. "Der sollte im Karneval nie fehlen", erklärt der Karnevals-Rhetorik-Trainer Marco Ringel gegenüber domradio.de. Er coacht angehende Redner in ganz Deutschland.

Die Redner in der Bütt' erzählen Witze, reimen spitze Verse über Politiker und Prominente. Der Anspruch ist also hoch, denn dabei sollen sie witzig, überzeugend, originell und vor allem nicht langweilig sein. Auch domradio.de-Kollege Martin Korden ist in der Freizeit als Büttenredner unterwegs. "Das ist vielleicht ähnlich, wie wenn man Freunden im kleinen Kreis einen Witz erzählen möchte", beschreibt er. "Man setzt eine ganz andere Mimik und Gestik ein, weil man möchte, dass die Leute auf einen reagieren."

Regionale Unterschiede für die Büttenrede

Die Leute sind aber auch regional unterschiedlich anspruchsvoll. "Schon jedes Dorf und jeder Dorfverein unterscheidet sich, hat eine andere Tradition, die gepflegt wird. Das fängt schon beim Karnevalsruf an", erklärt der Coach. Aber auch Martin Korden erkennt Unterschiede. Etwa seien in Regionen nördlich der Mosel komplizierte Wortwitze, bei denen man genau zuhören müsse, schwierig. "Dort funktionieren zum Beispiel auch Reime nicht so gut. Hier setzt man eher auf die Stimmung, auf Mitsingen, auf Mitschunkeln und auf Aktivität des Publikums allgemein." Daher sollte der Büttenredner generell die Büttenrede so schreiben, dass sie vor Ort verstanden werde und ankomme, erklärt Ringel.

Bei den Auftritten hat Martin Korden aber auch schon gemerkt, dass das Publikum auch während den Sitzungen unterschiedlich reagiert. Je später die Stunde, je mehr Alkohol, desto schwieriger sei es, das Publikum überhaupt noch zu erreichen. "Dann muss man direkt am Anfang der Rede sofort ein paar große Kracher bringen, damit die Leute merken, dass es sich lohnt zuzuhören."

Wenn die Stimmung kippt, sollten Redner nicht abbrechen, so der Experte

Auch der Profi rät den Lehrlingen dazu, sich ein paar Sprüche bereitzulegen - für den Fall, dass das Publikum abschweift. Oft sei die Stimmung auch nicht so schlecht, wie der Eindruck entstehe. "Aber ich rate nicht dazu abzubrechen oder sogar das Publikum anzugehen - all das habe ich schon erlebt." Stattdesssen: So professionell und so gut wie möglich die Situation zu Ende bringen. Das sei eine seiner Hauptregeln.

Aber manchmal hilft auch das nicht. Martin Korden musste die Erfahrung machen, dass manchmal auch einfach die Luft beim Publikum raus ist. "Die Akustik in der Halle war schlecht. Das Publikum war durch das Mitmachen schon ganz müde und sank erschöpft zurück auf ihre Stühle. Sie begannen - was bei der Musik vorher nicht möglich war - erst einmal wieder laut miteinander zu reden. Da bin ich richtig durchgefallen", erzählt er. Der Sitzungspräsident habe ihm dann sogar ein Zeichen gegeben, dass er zum Ende kommen solle. "Das war schon bitter. Da hätte ich gern den Rhetoriktrainer einmal gefragt, was er mir empfohlen hätte", sagt er.

Dass an Karneval aber auch die Predigt zu einer Büttenrede mutieren kann, das bewies an Weiberfastnacht Generalvikar Dr. Dominik Meiering im Kölner Dom. Er fasste die ganze Predigt in Verse: "An so einem Abend wird gefeiert überall. Die ganze katholische Welt begeht Karneval - ob in Köln, Mainz, Rio oder in Aachen - ja selbst in Düsseldorf tun die Menschen lachen." Der Karnevals-Rhetorik-Experte findet, dass sich viele Büttenredner hier etwas abschauen können: "Er spricht mit einer sonoren Stimme, sehr langsam. Das machen viele Büttenredner falsch. Er macht das genau richtig."


Willibert Pauels / © screenshot (DR)
Willibert Pauels / © screenshot ( DR )

Martin Korden / © Ide Lödige
Martin Korden / © Ide Lödige
Quelle:
DR