Wie Stress und Strafgelder die Büttenredner unter Druck setzen

Karnevalisten ohne Karneval

Der Karnevalist Willibert Pauels ist eigentlich ein Routinier vor dem Mikrofon. Dennoch hatte er auf der Bühne oft Angst, zu versagen. Der eng getaktete Terminplan hat Pauels wie alle anderen Karnevalisten von Auftritt zu Auftritt hetzen lassen.

Willibert Pauels (DR)
Willibert Pauels / ( DR )

Elf Uhr elf am Elften im Elften: Den Startschuss für die fünfte Jahreszeit können die Karnevalisten im Rheinland kaum erwarten. Die Session, wie die Narren ihre neue Spaß-Saison so schön nennen, wartet ab dem 11. November endlich wieder mit den jecken Sitzungen auf. Zeit für buntes Treiben mit kölschen Gruppen, Tanzmariechen und mehr oder weniger derben Witzen. Doch für die Büttenredner selbst beginnt die härteste Zeit des Jahres. Denn viel Stress und mitunter Strafgelder setzen die Berufskomiker unter Druck - wovon der "Bergische Jung" Willibert Pauels ein Liedchen singen kann.

Es ist alles andere als eine fröhliche Melodie, die der aus dem Fernsehen bekannte katholische Diakon und Clown mit roter Pappnase anstimmt. "Wenn dir das Lachen vergeht" lautet der Titel seines vor einigen Wochen erschienenen Buches über die Überwindung seiner jahrzehntealten Depression. "Wenn dir das Lachen vergeht" passt auch haargenau zu jenem Kapitel, in dem Pauels einmal über die extremen Härten vor, auf und hinter der Bühne schreibt. Die Hochmeister des Humors haben nichts zu lachen.

Acht Auftritte am Freitagabend, noch mehr am Samstag und wieder fünf oder sechs am Sonntag - so beschreibt Pauels sein langjähriges Wochenendleben zwischen November und Weiberfastnacht. Büttenredner sein bedeutet halt, Frohsinn am Fließband zu produzieren. "Mädschersitzung im großen Zelt in - wasweißichwo." Als Berufskomiker hat sich Pauels noch nicht einmal den von seiner Agentur eng getakteten Einsatzplan angeguckt und ganz seinem Fahrer überlassen, der schon weiß, wo es hin- und langgeht.

Auf jede Minute kommt es an

Bei der "logistischen Spitzenleistung" geht es um Minuten und vor allem um Pünktlichkeit. Wehe, es gibt Glatteis und der Ablaufplan der einzelnen Gesellschaften gerät einmal in Schieflage. Zehn Minuten Verspätung bedeutet: Es gibt keinen Scheck nach dem Auftritt. Und bei eigenem Verschulden wird sogar ein Strafgeld fällig. Gerät indes der Veranstalter mehr als zehn Minuten in Verzug, muss er den Künstler auszahlen, "ohne dass du ein einziges Wort auf der Bühne gesagt hast". Denn sonst schafft dieser es nicht zum nächsten Auftritt.

Verglichen mit einer Verspätung sei das Lampenfieber aber gar nichts, bekennt Pauels, obwohl er eigentlich ein Routinier vor dem Mikrofon ist. "Meine größte Angst war, auf der Bühne zu versagen." In einer Session seien immer sechs oder sieben Auftritte dabei, "die voll danebengehen, weil der Saal besoffen ist". Oder das Publikum höre gar nicht zu, weil die Leute etwa bei einer Firmensitzung nur anstandshalber da hocken. Ganz schlimm sei es, als vorletzte Nummer spätabends in einen Saal zu kommen, wenn die Kellner bereits kassieren - "und zwar lauthals, also voll in meine Rede rein", so Pauels.

Feierabendbier im Auto

"Die Kollegen mit dem dicken Fell streichen die Gage in solchen Fällen als Schmerzensgeld ein", berichtet der Clown. Er selbst ist nicht so hart im Nehmen. "Natürlich bin ich in der Session nie selbst zum Feiern gekommen", zieht er eine traurige Bilanz. 17 Jahre lang habe er keinen Karneval gefeiert. "Meine Party bestand aus zwei Dosen schön gekühlten Biers nach Feierabend im Auto."

Unter dieses Leben hat Pauels einen Schlussstrich gezogen, angestoßen durch seine Therapie. Dennoch wagt er sich weiterhin auf die Bühne. Aber nur beim Pfarrkarneval. Dann zwar ohne Gage, aber dafür mit sehr viel Spaß an der Freud.


Quelle:
KNA