Willibert wirft Kölner Festkomitee vorauseilenden Gehorsam vor

"Die kneifen"

Diakon und Büttenclown Willibert ärgert es, dass der "Charlie Hebdo"-Wagen nicht Teil des Rosenmontagszug wird. Denen nachzugeben, die Angst verbreiten, sei immer falsch. Der bergische Jung hofft auf einen rheinischen Coup.

Willibert Pauels (DR)
Willibert Pauels / ( DR )

domradio.de: Was hast du gedacht, als du von der Entscheidung des Festkomitees gehört hast?

Willibert Pauels (Diakon und Büttenclown "Ne bergische Jung'"): Ganz ehrlich, ich habe gedacht: Weicheier, Warmduscher, Vorwärtseinparker. - Alles, was mir einfiel als Klischee zu Menschen, die kneifen.

domradio.de: Wovor kneifen sie da?

Willibert: Ich fand das sehr gut, dass das Thema aufgenommen und in den Zug hereingebracht wurde. Und der Entwurf selber ist noch so schonend, so harmlos: Der Terrorist ist nicht als etwaiger Al-Kaida oder ISIS-Kämpfer zu erkennen, sondern einfach ein Terrorist. Es war schon ein Wagen, der nicht besonders provozierend mutig war. Und den dann auch noch zurückzuziehen - offensichtlich aus Angst - das empfinde ich als vorauseilenden Gehorsam. Und es drängt sich der Verdacht auf, dass man genau denen nachgibt, die durch Angstverbreitung ihre Meinung durchdrücken wollen. Und das ist immer falsch.

domradio.de: Diese Absage könnte man ja jetzt als Widerspruch zu dem deuten, was der Karneval eigentlich will, nämlich Meinungs- und Narrenfreiheit, oder?

Willibert: Natürlich, die Freiheit ist eines der höchsten Güter, die wir haben. Die Freiheit ist bei den Menschenrechten durch nichts zu ersetzen. Es hat mal ein Theologe gesagt, eine moralische Handlung, die nicht aus Freiheit geschieht, sei moralisch nichts wert. Dieser Theologe hieß Joseph Ratzinger, und dem hätte man solch eine liberale Moralbegründung ja fast gar nicht zugetraut. Aber es ist natürlich wahr: Das innerste Wesen von Liebe, Demokratie und Menschenrechten ist Freiheit. Da darf meines Erachtens nicht nachgegeben werden, auf keinen Fall.

domradio.de: Markus Ritterbach, der Vorsitzende des Festkomitees hat klargestellt, das Komitee habe keine Angst vor einem Terroranschlag. Auch die Polizei sagt, dass sie keine erhöhte Bedrohung für den Zug 2015 sieht, auch nicht durch einen möglichen Wagen zu Charlie Hebdo. Trotzdem hat man sich jetzt gegen so einen Wagen entschieden. Was steckt Deiner Meinung nach dahinter?

Willibert: Vielleicht ist das eine ganz sublime Art von Humor und passt dann wieder in den Karneval. Das erinnert mich an einen berühmten Satz von einem der größten Psychotherapeuten - dem Papst der Psychotherapie - Watzlawick. Er hat gesagt, wenn etwas nicht kaputt ist, machen sie es nicht ganz. Also wenn jetzt keine konkrete Bedrohung da ist, warum soll ich etwas reparieren oder richtig stellen, was überhaupt nicht kaputt ist? Dann wird es also ganz absurd.

Ich habe ja schon so einen kleinen Verdacht - vielleicht ist es ein rheinischer Coup! Also, dass gesagt wird, der Wagen kommt nicht, damit wären eventuelle, potentielle, durchgeknallte Idioten und Anschlagstypen nicht angelockt. Und dann tut man ihn - zack - trotzdem rein. April, April! Das wäre wahre Narretei und oben sitzt dann von der Kölnischen der Herr Kaußens als Buddha verkleidet und winkt huldvoll vom Wagen "Charlie Hebdo" hienieder und wirbt für Freiheit und Religionstoleranz! Das wäre doch was!

domradio.de: Wahrscheinlich eher eine Willibertsche Utopie als ein rheinischer Coup...

Willibert: (lacht) Ja, aber das wäre doch mal was!

domradio.de: Es scheint ja doch Leute zu geben, die ernsthaft Angst haben, die sich an das Festkomitee gewandt haben. Kannst du die gar nicht verstehen?

Willibert: Doch, die kann ich verstehen. Und das ist natürlich auch ein Argument, was man wie alle Argumente, die ernst gemeint sind, auch ernst nehmen muss. Die Leute, die da am Wegesrand stehen, die wollen eben für die paar Tage und wenn sie zum Zoch kommen für die paar Stunden ganz sorgenfrei und einfach da sein und feiern. Wenn da natürlich ein Schatten drauf liegen würde, kann ich verstehen, dass man das nicht will. Und ich kann natürlich jede Angst verstehen. Angst ist einfach da, aber ich weiß eben auch aus persönlicher Erfahrung, eine der schlechtesten Ratgeber für ein gutes Leben ist Angst. Auch wenn der Franzose sagt: "tout comprendre, c`est tout pardonner, alles verstehen, heißt alles verzeihen" - kann ich das natürlich verstehen und auch verzeihen, aber trotzdem für falsch halten.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

 


Quelle:
DR