Eine kleine Geschichte des Lachens und seiner Gegner

Von wiehernden Bauern und schweigenden Mönchen

Gebetsgemurmel, knarrende Kirchenbänke, Sandalenschlurfen. Doch niemals ein Lachen. In mittelalterlichen Klöstern war lautes Gelächter verboten. Vor den Klostermauern jedoch, in den Dörfern, scherzten, sangen und grölten die Bauern - und "erfanden" dabei den Karneval.

Autor/in:
Bettina Nöth
 (DR)

Sieben Mal lachte Gott, als er die Welt schuf, heißt es in einem griechisch-ägyptischen Mythos. Hier könnte die Geschichte des Humors begonnen haben. Wissenschaftlich beweisen lässt sich allerdings nur, dass das Lachen älter ist als der Mensch. Vor etwa acht Millionen Jahren soll es entstanden sein, als sich die Entwicklung von Mensch und Affe trennte, kurz vor dem aufrechten Gang.

Kichernde Kleinkinder
Kleinkinder waren die ersten, die sich kichernd auf dem Boden wälzten. Denn um ihre Babys von der Brust zu entwöhnen, kitzelten die Mütter ihre Kleinen. "Lachend überwanden die Kinder so ihre Trennungsangst", erklärt der Bremer Kulturhistoriker Rainer Stollmann.

In nomadischen Gesellschaften war denn auch das laute Gelächter Frauen und Kindern vorbehalten. "Ein Indianer lachte nicht", sagt Stollmann. Als Wandervölker lebten Nomaden von der Hand in den Mund.

Gelächter gleichgesetzt mit Kontrollverlust
Zur Natur hatten sie ein räuberisches Verhältnis - von ihr hing das Überleben des Stammes ab. "Lachen wurde mit der Bedrohung durch die wilde Natur gleichgesetzt", so der Kulturhistoriker. Durch lautes Gelächter glaubten die Männer Wachsamkeit und Kontrolle zu verlieren. "Nomaden hatten Angst vor dem Lachen."

Das änderte sich, als in Nordeuropa um das Jahr 6.000 vor Christus der Feldbau einsetzte. Gemäß dem Motto "Mein Haus, meine Frau, mein Acker" ließen sich die Menschen an festen Orten nieder und entwickelten ein neues, optimistisches Lebensgefühl. Redewendungen wie "die Sonne lacht" zeugen davon. "Die Bauern erlebten die Erde als fruchtbar und die Natur nicht mehr als Feind", so Stollmann.  "Lachend überwanden sie die Angst vor der Natur."

Spottlieder auf Obrigkeit und Kirche
So entstand in der bäuerlichen Gesellschaft nicht nur die Groteske sondern auch der Karneval. Im Winter, der schwersten Zeit des Jahres, herrschte in manchen Dörfern tagelang der Ausnahmezustand.

Das einfache Volk tanzte ausgelassen auf den Straßen, bewarf sich mit Pferdemist und sang Spottlieder auf Obrigkeit und Kirche. Die Bauern feierten zum Beispiel Eselsmessen, bei denen Esel als Priester verkleidet und verspottet wurden. Zwar gab es schon im alten Ägypten, bei den Römern und Griechen Vorläuferfeste des Karnevals - seine Hochzeit erlebte er jedoch im mittelalterlichen Europa.

Und gleichzeitig seine größte Ablehnung. Denn die Kirche verurteilte das närrische Treiben und dessen heidnische Wurzeln. Lachen galt als Sache des Teufels und als Zeichen mangelnder Gottesfurcht. Mit der Begründung, dass der biblische Jesus nie gelacht habe, verhängte die Kirche ein 1.000-jähriges Lachverbot. Vor allem die Mönche in den Klöstern lebten nach strengen Regeln: "Ora et labora", bete und arbeite, was gab es da noch zu lachen?

Mit Aufklärung und Industrialisierung änderten sich nicht nur die Lebensverhältnisse vieler Menschen, sondern auch die Lachkultur erneut, sagt Kulturhistoriker Stollmann: "Die Vernunft kam ins Lachen." Immer mehr Menschen zogen in die Städte und dort entstanden Formen des Lachens für "vernünftige" Menschen. Zum Beispiel der schnelle Witz mit seiner Pointe. "Ein Bauer des 14. Jahrhunderts hätte darüber nicht gelacht", sagt Stollmann.

Der Mensch bestehe nämlich wie eine Zwiebel aus unterschiedlichen Häuten. "Diese historischen, sozialen, kulturellen Häute ändern sich oder sind verschieden und somit an unterschiedlichen Stellen kitzelig." Deshalb kitzelt die Groteske die bäuerliche Landhaut, der Witz kitzelt die Stadthaut. Und selbst in vielen Klöstern haben die Mönche inzwischen einen Heidenspaß.