Msgr. Kleine zur Pro-Erdogan-Demo in Deutz

"Warum gerade in Köln?"

Im Kölner Dom finden heute trotz der Erdogan-Großdemo alle Gottesdienste statt. Der Kölner Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine hat wenig Verständnis dafür, dass innertürkische Konflikte in Köln ausgetragen werden.

Msgr. Robert Kleine  (KNA)
Msgr. Robert Kleine / ( KNA )

domradio.de: Erwarten Sie für "Ihr Köln" eine anstrengendes Wochenende?

Monsignore Robert Kleine (Kölner Dom- und Stadtdechant): Ja. Ich freue mich über die Äußerung des Kölner Polizeipräsidenten, dass mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln dafür Sorge getragen werden soll, dass gar keine Gewalttaten geschehen, dass man gewappnet ist und sich vorbereitet. Insgesamt finde ich es aber sehr fragwürdig, dass es überhaupt zu einer solchen Konstellation kommt. Eine solche Demonstration von Erdogan Anhängern mit Gegendemonstranten, die auch zu erwarten sind: Warum muss so etwas überhaupt in Köln stattfinden? Das fragt sich sicherlich nicht nur meine Wenigkeit.

domradio.de: Die Kölner CDU ist besorgt und appelliert an die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) als Veranstalter der Pro-Erdogan-Kundgebung, freiwillig auf die Demonstration zu verzichten. "Unsere Stadt ist nicht der richtige Ort, um innertürkische Konflikte auszutragen", heißt es in dem Schreiben. Teilen Sie also diese Meinung?

Kleine: Ich schätze das Versammlungsrecht und die Meinungsfreiheit sehr. Und dass man demonstriert für oder gegen Dinge, die uns in unserem Land bewegen. Aber warum nun die Anhänger von Herrn Erdogan hier demonstrieren sollen, für oder gegen wen, das verstehe ich nicht. Das trägt dazu bei, dass ein Riss durch die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserer Stadt geht. Es gibt ja auch Liberale, die das kritisch sehen, was dort in Ankara geschieht.

Wir haben hier ein so gutes Miteinander, auch der Religionen im interreligiösen Dialog, wir haben so viele  unterschiedliche Nationalitäten in unserer Stadt und da ist plötzlich ein Keil, der da zwischen getrieben ist - oder neu getrieben wird durch diese Demonstration. Es gibt in Köln zum Beispiel Armenier. Mit der Armenienresolution des Bundestages begann das ja. Ich finde es nicht gut, dass da jemand, der so undemokratisch im Moment in der Türkei auftritt, durch ein von der Polizei geschütztes Aufkommen von Demonstranten hochgejubelt wird.

Ich befürchte, dass es auf jeden Fall Ärger geben wird, wenn es auf beiden Seiten dann nicht nur bei Worten bleibt, sondern vielleicht auch zu Handgreiflichkeiten kommt.

Warum gerade in Deutschland, warum gerade in Köln?  

domradio.de: Viele Organisationen rufen zu Gegendemos auf, Köln gegen rechts - die Kirche nicht. Warum?

Kleine: Das ist eine schwierige Frage, ob wir mit dazu aufrufen sollen? Noch einmal: Es gibt das Recht auf Demonstrationsfreiheit. Ich denke manchmal, es ist ganz gut, wenn man Sachen nicht mit einer Gegendemonstration noch einmal aufwertet. Die Kurden haben ja gesagt, sie werden auf eine Demonstration verzichten, um dem anderen nicht noch mehr Gewicht zu geben. Ich glaube, man muss klar sagen: Das gilt für uns als Demokraten und Christen.

An den Stellen, wo wir an der Politik von Herrn Erdogan etwas zu kritisieren haben, da sollten wir aufstehen und das benennen. Wenn sich da drüben auf der anderen Rheinseite nun seine Anhänger treffen wollen... Sie sollen dort für sich demonstrieren. Ich  würde gar nicht versuchen, dagegen einen allzu großen Protest aufzubauen, denn dann steigert man sich vielleicht in irgendwelche Aggressionen hinein. Ich hätte es lieber gesehen, wenn man gesagt hätte: Demonstriert woanders, gerne in der Türkei, unterstützt da Euren Präsidenten, wenn Ihr das möchtet.

Aber nun werden wir am Sonntag im Dom, wie auch in den letzten Tagen, für ein friedliches Miteinander der Menschen beten, für ein gutes Miteinander der Religionen. Ich glaube, das ist besser, als eine Gegendemonstration selbst zu initiieren als Kirche. Wir vertrauen den Frieden dieser Welt Gott an und hoffen, dass die Menschen auch in ihrem Herzen von den Gedanken des Friedens angetrieben werden, vielleicht irgendwann auch Herr Erdogan.

domradio.de: Man rechnet mit bis zu 30.000 Pro-Erdogan-Demonstranten auf der Deutzer Werft, am Heumarkt ist der Platz für die Gegendemo, Jugendverbände der großen Parteien sind unter anderem dabei, die Deutzer Brücke soll eventuell gesperrt werden. Außerdem könnte es passieren, dass die Pro-Erdogan-Demo am Sonntag früh doch noch abgesagt wird. Und dann weiß man auch nicht, was passiert. Wappnet sich der Dom für den möglichen Ansturm aller dieser Demonstranten?

Kleine: Wir planen natürlich erst mal, dass sich am Dom nichts ändert. Zuerst einmal ist der Sonntag ein christlicher Feiertag, den wir als solchen auch begehen werden. Es sind alle Gottesdienste im Dom, der wird auch nicht irgendwann abgesperrt, sondern er ist offen. Natürlich werden wir wachsam sein, was sich um den Dom herum abspielt.

Wenn man hört, dass auch noch Hooligans kommen, und andere kommen....  wir wissen ja, dass der Hauptbahnhof ein Knotenpunkt ist, wo viele Menschen ankommen und abreisen, wo manchmal auch verschiedene Demonstrationen aufeinander stoßen, da werden wir vor allem den Nordeingang des Domes im Blick haben. Aber ich vertraue darauf und hoffe wirklich auch mit Unterstützung der Sicherheits- und Ordnungskräfte, dass zusätzlich zur Demonstrationsfreiheit auch die Religionsfreiheit gewährt bleibt. Also dass alle, die zum Gottesdienst in den Dom kommen möchten, das auch tun können. Auch wenn sie kommen möchten, um eine Kerze anzuzünden oder zu beten für den Frieden in der Welt. 

 Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR