Die Kölner-Dom-Glocken werden auf Schäden untersucht

"Da schwingen 24 Tonnen Material an uns vorbei"

Derzeit läutet es häufig am Kölner Dom. Das hat einen einfachen Grund: Unerwartet erklingen die Glocken zur Klangmessung. Der Leiter der Untersuchungen erzählt im domradio.de-Gespräch, was hinter den Tests steckt.

Dr. Andreas Rupp untersucht die Glocken im Kölner Dom  / © Beatrice Steineke (DR)
Dr. Andreas Rupp untersucht die Glocken im Kölner Dom / © Beatrice Steineke ( DR )

domradio.de: Wie kann man sich das vorstellen, was machen Sie an den Domglocken? Gestimmt werden die ja nicht?

Dr. Andreas Rupp (Leiter des Europäischen Kompetenzzentrums für Glocken in Kempten): Die werden nicht gestimmt, sondern wir untersuchen wie sie geläutet klingen. Es ist ja so: Eine Glocke klingt sehr schön, solange sie intakt ist und, wenn dann Risse oder Verschleiß oder andere Fehlstellen an der Glocke auftreten, dann hört man das. So weit soll es aber nicht kommen. Wir haben neue Verfahren entwickelt, mit denen wir sehr präzise Schäden ermitteln können, bevor man das mit dem menschlichen Gehör überhaupt feststellen kann.

domradio.de: Wenn das hohl klingt, dann ist da möglicherweise ein Riss drin?

Rupp:  Dann ist es eigentlich schon so weit fortgeschritten, dass man die Glocke nur noch reparieren oder neu gießen lassen kann. Mit unseren neuen Verfahren sind wir so weit, dass wir die ersten Anzeichen von Rissen und Schäden schon frühzeitig entdecken können.

domradio.de: Vor einiger Zeit ist ja der Klöppel der Petersglocke, liebevoll "decker Pitter" genannt im Dom abgefallen. Hätte man das mit einer solchen Untersuchung feststellen und verhindern können?

Rupp: Das hätte man nicht feststellen können. Wir untersuchen ja die Glocke und nicht die Klöppel. Man muss sagen, es war ein Glück für den "decken Pitter", dass der Klöppel gebrochen ist. Denn der war eindeutig zu schwer und der hätte die Glocke in den nächsten zehn bis 20 Jahren kaputt geschlagen.

domradio.de: Ihr Kompetenzzentrum heißt "ECC ProBell" und ist angesiedelt an der Hochschule Kempten im Allgäu, wofür genau braucht es denn so ein Zentrum?

Rupp: Das Zentrum braucht es, um überhaupt das Knowhow zu erarbeiten, das für diese Untersuchung an den Glocken erforderlich ist. Wir sind 1996 mit ersten Untersuchungen an Glocken gestartet. Wir haben damals festgestellt, dass es doch sehr kompliziert ist, Glocken zu untersuchen, obwohl die Glocke als solche einfach aussieht. Wir haben viele Jahre daran gearbeitet, um überhaupt ein technologisches Knowhow zu entwickeln, das uns erlaubt, so tief in die Glocke reinzuhören.

domradio.de: Jetzt haben wir hier am Kölner Dom mit dem "decken Pitter" die größte freischwingende Glocke der Welt, das ist bestimmt auch für Ihre Arbeit was besonderes, oder?

Rupp: Das ist etwas sehr besonderes, insbesondere, wenn wir die Glocke beim Läuten untersuchen. Da sind wir ja sehr nah dran. Da schwingen rund 24 Tonnen Material an uns vorbei.

domradio.de: Wie ist das eigentlich? Sie sitzen da oben und können die größte Glocke der Welt läuten, und das nicht zu einem bestimmten Hochfest, sondern einfach mal so - und dann hört das die ganze Innenstadt. Ist bestimmt auch ein merkwürdiges Gefühl, oder?

Rupp: Das ist ein schönes Gefühl und wir sind uns darüber bewusst, dass das ein hohes Kulturgut unserer Gesellschaft ist, und ich bin froh darüber, daran arbeiten zu dürfen.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR