Stadtdechant zu den Hooligan-Angriffen in Köln

Verrohung der Sitten

Der Platz vor dem Kölner Dom ist wieder Tatort von Gewalttaten geworden. Hooligans haben am Donnerstag Touristen attackiert. Stadtdechant Robert Kleine ist fassungslos und sieht eine Verrohung der Sitten.

Polizisten rund um Dom und Hauptbahnhof / © Maja Hitij (dpa)
Polizisten rund um Dom und Hauptbahnhof / © Maja Hitij ( dpa )

domradio.de: Entsetzt schaut die Welt nach Frankreich: Hooligans liefern sich Tag für Tag blutige Schlägereien. Jetzt sind Gewalttätige auch nach Köln gekommen. Russische Hooligans haben auf der Rückreise von der EM spanische Touristen auf der Domplatte angegriffen. Die Polizei hat sechs mutmaßliche Täter festgenommen. Finden Sie da noch Worte?

Monsignore Robert Kleine (Stadtdechant): Als ich das gehört habe, war ich fassungslos. Es ist nach den Silvestervorfällen wieder derselbe Ort zwischen Kölner Dom und Hauptbahnhof, wo sich etwas Schreckliches ereignet. Köln ist wieder in den Schlagzeilen, wieder mit Gewalt gegen Unschuldige, das macht mich fassungs- und sprachlos.

domradio.de: Seine politische Auffassung mit brutaler Gewalt kund zu tun, das scheint immer häufiger zu passieren. Wenn wir nur an das Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Reker denken, jetzt der Mord an Joe Cox in Großbritannien. Haben Sie eine Erklärung für dieses Phänomen?

Kleine: Ich stehe da, wie die Allermeisten und habe keine Erklärung dafür. Es ist eine Verrohung der Sitten, die ja auch schon im Internet anfängt. Da gibt es ja keine Hemmungen mehr. Man kann ja auch durch Worte verletzen. Und wenn ich mir ansehe, was in Kommentaren bei Facebook oder anderswo geschieht, das ist ja schon fast körperliche Verletzung.

domradio.de: Was zum Beispiel?

Kleine: Man sieht ja immer wieder, wie dort Menschen erniedrigt werden, Menschen an den Galgen gewünscht werden. Wir kennen das noch von Pegida, da wurden solche Wünsche auf Plakate geschrieben. Und jetzt setzt es sich auch in der Realität – im Internet und auf der Straße um. Das hat doch nichts mehr mit Kultur zu tun. Das ist ja schon fast Barbarei.

domradio.de: Was schlagen Sie vor?

Kleine: Es muss einen Diskurs in der Gesellschaft geben, in den anderen Ländern, aber auch bei uns in Deutschland, denn auch hier gab es Hooligan-Demonstrationen, bei denen es auch gewaltvoll zuging. Ich frage mich wirklich, was das für eine Welt ist, die da vertreten wird.

domradio.de: Wie sollte Köln auf solche Übergriffe reagieren? Was wünschen Sie sich von der Politik, von der Öffentlichkeit?

Kleine: Wir können eigentlich nur im Stillen, mit Protest und einem guten Miteinander dagegen Stellung beziehen. Die Gewalttäter selbst muss man mit der Härte des Gesetzes verfolgen. Das ist ja jetzt auch mit dem Attentäter auf Frau Reker der Fall. Das ist hoffentlich auch der Fall bei den gefassten Russen. Es muss klar werden, das sich ein demokratischer Rechtsstaat nicht erlauben kann, dass solche Leute willkürlich irgendwelche Menschen zusammenschlagen. Da ist unser Rechtstaat gefragt, wie in allen demokratischen Staaten auch.  

domradio.de: Aber das scheint noch nicht ganz angekommen zu sein?

Kleine: Wenn ich daran denke, dass in Städten einfach Bürgerwehren entstehen, muss man sagen: "So nicht!" Wir haben eine Gewaltenteilung, die sehr gut funktioniert seit der Gründung der Bundesrepublik. Da darf keiner marodierend durch die Straßen ziehen.

domradio.de: Was kann und sollte Kirche tun?

Kleine: Wir müssen ganz klar Position dazu beziehen. Wir sagen ganz klar, dass das so nicht geht – unabhängig, ob sich das vor einer Kirche oder irgendwo anders abspielt. Gewalt ist kriminell und muss bestraft werden.

Das Interview führte Tommy Millhome.


Quelle:
DR