Diözesanjugendseelsorger liest BDKJ die Leviten

"Im Glauben ist nicht alles Verhandlungssache"

Der Kölner Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp kritisiert eine umstrittene BDKJ-Kampagne. Er begrüßt zwar das Motto der Aktion "katholisch + anders als du denkst", findet jedoch, dass etwas "grundlegend schief" gegangen sei.

Diözesanjugendseelsorger Dr. Tobias Schwaderlapp / © Beatrice Tomasetti (DR)
Diözesanjugendseelsorger Dr. Tobias Schwaderlapp / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Wie finden Sie die BDKJ-Kampagne ganz allgemein?

Pfarrer Tobias Schwaderlapp (Diözesanjugendseelsorger für das Erzbistum Köln, Leiter der Abteilung Jugendseelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat und Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg): Langsam bin ich verstört, um es mal so zu sagen. Das, was sich mir zunächst dargestellt hatte, war, dass die Kampagne zur Identifizierung mit der katholischen Kirche beitragen wollte. Das heißt, man wollte hingehen und sagen: "Wir sind katholisch, aber das ist anders, als du denkst." Das ist ein Anliegen, das ich total begrüße. Vor allem auch dieses Klischee des Katholischseins ein bisschen von seinem verstaubten Image zu befreien.

Aber eine Reformdebatte und eine Identifikationsdebatte gleichzeitig zu führen – also nach innen und nach außen – dabei ist einfach irgendwie grundlegend etwas schief gegangen. Man hat jetzt mittlerweile eine ganze Reihe von Leuten im ganzen Bundesgebiet sehr vor den Kopf gestoßen. Was mich verstört ist im Moment auch die mangelnde Selbstkritik. Ich nehme einfach nicht wahr, dass der BDKJ als Verband bereit ist zu sagen: "Vielleicht sind wir hier und da tatsächlich auch mal ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen."

DOMRADIO.DE: Der BDKJ sagt, er wollte bewusst provozieren und damit eine Diskussion anstoßen. Ist das nicht ein probates Mittel, sich an der aktuellen Reformdebatte zu beteiligen?

Schwaderlapp: Wenn man sagt, wir wollen uns an der Debatte beteiligen und wir haben dazu Positionen, dann kann man das so tun. Aber jetzt hinzugehen und zu sagen, wir wollen zu unserem Katholischsein stehen und tun das, indem wir uns in praktisch allen wichtigen Dingen irgendwie von kirchlichen Grundvollzügen und Wesenselementen distanzieren, dann ist da für mich eine Ungleichzeitigkeit, die nicht gut funktioniert. Das kommt auch nicht so rüber.

DOMRADIO.DE: Nun sind Kampagnen und Slogans ja immer etwas überspitzt. Wenn der BDKJ sagt "Nagelt den Planeten nicht ans Kreuz", dann kann man da vielleicht darüber streiten, ob das ein gutes Bild ist. Aber der Klimawandel ist Fakt – und dass vor allem junge Menschen das Sorgen macht, auch. Oder?

Schwaderlapp: Absolut. Ich will auch nicht sagen, dass jetzt alle Bilder völlig schiefgegangen sind. Ich glaube auch, dass man über die Geschmacksfrage streiten kann. Da sind Geschmäcker unterschiedlich. Ich weiß auch, dass Kampagnen immer ein bisschen spritzig formuliert und herausfordernd sein müssen. Aber nochmal: Es gibt eine ganze Reihe von Themen, die wesentliche Elemente des Katholischseins berühren. Bei dem Bild "Ausschlafen ist meine Sonntagspflicht" ist viel, viel missverstanden worden. Man hat auch gemerkt, die Leute reagieren jetzt auf ein Bild vom BDKJ, das weiterhin existiert, dass man nämlich tatsächlich nicht mehr sonntags zur Kirche geht und sie es jetzt auch noch als Kampagne sagen. Dabei wollten Sie genau das Gegenteil, das haben sie auch gestern nochmal betont. Sie wollten einladen, zur Messe zu gehen oder zu lebensnahen Liturgien, aber eben auch auszuruhen.

Ein anderer Punkt ist: "Bei uns entscheidet die Demokratie und nicht der Papst". Da berühren wir wirklich etwas, das kernkatholisch ist. Ich verstehe auch, dass der Dachverband grunddemokratisch strukturiert ist. Das ist ein großartiges Lernfeld für viele junge Leute, um demokratische Strukturen, ein demokratisches Umfeld und demokratische Debatten zu erlernen. Was dann aber immer und zwar bei all diesen Dingen zu kurz kommt, ist eben auch ein Blick und ein Gespür dafür, dass nicht alles in Glaubensfragen eine Verhandlungs- und Debattenfrage ist. Es ist nicht alles abstimmungsfähig in dem Sinne, sondern unser Glaube lebt eben auch davon, dass die Grundwerte zunächst einmal einfach Geschenk und vorgegeben sind. Es ist nicht alles im Glauben Verhandlungssache. Es wird aber hier so getan, als wäre einfach alles erst mal zur Disposition gestellt. Wir müssten mal über alles abstimmen und dann führen wir eine Debatte und entscheiden dann, was wir glauben. So funktioniert das eben nicht.

DOMRADIO.DE: Was hätte der BDKJ Ihrer Meinung nach besser und anders machen können?

Schwaderlapp: Man hätte sich vielleicht klarmachen müssen, vor allen Dingen im Zuge der Erarbeitung der Kampagne, dass die flotten Sprüche überhaupt nur im Zusammenspiel mit den Erklärtexten dahinter funktionieren. Es ist aber doch klar, dass bei einer viralen Kampagne Bilder ohne die Erklärungen dahinter geteilt werden. Das heißt, die flotten Sprüche an sich müssten eigentlich auch irgendeine Botschaft haben, die für sich genommen stehen kann. Das ist bei "Ausschlafen ist meine Sonntagspflicht" zum Beispiel überhaupt nicht der Fall. Was sie hier gemacht haben, ist eine Positionierung.

Fragen können wir alle stellen. Man kann auch sagen, dass man mit Dingen nicht einverstanden ist. Es gibt kein Thema, über das man nicht sprechen kann. Aber es gibt eben Themen – auch im kirchlichen Leben – über die kann man zwar sprechen, aber sie sind deshalb nicht Verhandlungsmasse. Diese Unterscheidung fehlt mir.

DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt weiter zwischen dem BDKJ und dem Erzbistum Köln?

Schwaderlapp: Das wir uns jetzt nicht missverstehen: Wir streiten uns und ich distanziere mich auch tatsächlich von dieser Kampagne. Eben weil ich sagen muss, so wie ich sie derzeit wahrnehme, ist sie in die Hose gegangen. Das kann ich einfach so nicht mittragen. Aber ich distanziere mich natürlich nicht von den Menschen, von den jungen Leuten und von ihren Anliegen. Da werden wir auch weiter im Gespräch bleiben.

DOMRADIO.DE: Der BDKJ vertritt aber ja auch einen Teil junger katholischer Menschen, die engagiert sind und denen die Kirche noch wichtig ist. Sollte man das nicht auch irgendwie anerkennen und dann hören, was Sie zu sagen haben?

Schwaderlapp: Ja, total! Ich habe schon sehr viele Gespräche geführt und ich bin auch weiterhin zu allen Gesprächen immer bereit. Dazu habe ich auch eingeladen, dass wir vielleicht gerade jetzt im Nachgang der Debatte auch nochmal einen Thementag machen. Zum Beispiel unter dem Motto: Wie viel anders, als du denkst, ist eigentlich noch katholisch? So kann man sich damit noch mal auseinandersetzen und diese Debatte auch führen. Nur, wenn man eine polarisierende Positionierung in die Welt wirft, muss man eben auch mit Widerstand rechnen. 

Das Interview führte Michelle Olion.


Quelle:
DR
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