Welchen Herausforderungen sich Religions-Pädagogen stellen müssen

"Glaubensfragen sind nicht selbstverständlich"

Immer weniger Menschen sind religiös geprägt. Das stellt die Religionslehrer vor Herausforderungen. Darüber haben sie in der vergangenen Woche im Erzbistum Köln im Rahmen der pädagogischen Woche diskutiert.

Religionsunterricht in der Schule / © Juan Ci (shutterstock)
Religionsunterricht in der Schule / © Juan Ci ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Gucken wir doch mal direkt rein, was auf dem Programm der Pädagogischen Woche stand. Sie hatten am Anfang ein Impuls-Gespräch vom F.A.Z. Mitherausgeber Jürgen Kaube. Der hat wohl sehr persönlich gesprochen -  als Vater von Kindern, die im Religionsunterricht sind. Was gibt er den Lehrerinnen und Lehrern mit?

Christoph Westemeyer (Abteilungsleiter für den Bereich Schulische Religionspädagogik und Katholische Bekenntnisschulen im Erzbistum Köln): Jürgen Kaube trägt sicherlich als einer der Versiertesten zur Bildungsdebatte bei. Wie zu erwarten hat er auch einige Sätze gesagt, die aufhören ließen. Zum Religionsunterricht hat er gesagt, dass wir den Menschen mehr den Gegenstand zumuten können, weil man ihnen auch zutrauen kann, sich mit dem Gegenstand auseinanderzusetzen.

Das heißt, der Religionsunterricht muss nicht nur aus einer Lebenshilfe bestehen, sondern den Kindern und Jugendlichen kann auch ein tieferes Verständnis religiöser Tradition zugemutet werden. Man muss ihn nicht künstlich leichter machen, als er ist. Man muss ihn auch nicht schwerer machen. Aber biblische Texte etwa können genauso Gegenstand des Unterrichts sein. Selbstverständlich wird man immer die Verbindung  zum Leben der Schülerinnen und Schüler suchen. Religion und damit Gott stellen ja selbst diesen Anspruch.

DOMRADIO.DE: Also weniger Kuschelkurs, sondern darüber reden, wie es ist?

Westemeyer: Kuschelkurs war ja so etwas, was er auch in einem seiner Debattenbeiträge genannt hat. Ich glaube nicht, dass der Religionsunterricht ein Kuschelkurs ist. Aber ich sage es mal mit seinen eigenen Worten: Der Religionsunterricht ist dafür da, die Unvollständigkeit der Welt und die noch nicht verfügbaren Tatbestände des Lebens - so hat er sich ausgedrückt - in den Vordergrund zu stellen. Das ist das, was man nicht sieht. Das sind natürlich auch schon mal Emotionen und Einstellung zum Leben.

DOMRADIO.DE: Was passiert auf so einer pädagogischen Woche?

Westemeyer: Die pädagogische Woche ist so aufgebaut, dass jeder Tag mit einer Eucharistiefeier beginnt. Dann kommt das, was wir in der Vorbereitungs-Sprache ein theologisches Update nennen. Da kommt ein Professor und spricht noch mal zu uns. Das war in diesem Jahr mit Professor Odenthal aus Bonn besonders eindrucksvoll. Dann gibt es schulpraktische Arbeitskreise. Da bereiten dann erfahrene Lehrerinnen und Lehrer Unterrichtsreihen zu Themen vor, die mit diesem Oberthema zu tun haben. Es findet ein ganz intensiver Austausch zwischen den Kolleginnen und Kollegen statt. Das nehmen alle später in ihre eigene Schule mit und versuchen, das in ihrem Kontext umzusetzen.

DOMRADIO.DE: Sie haben es im Motto und in der Überschrift der vergangenen Woche schon angesprochen, dass lautet "GottFeiern in unselbstverständlichen Zeiten". Das ist ja auch etwas, was im Religionsunterricht, wenn man mit jungen Leuten zu tun hat, die noch nicht so religiös geprägt sind, eine Rolle spielt. Inwiefern ist das denn zur Sprache gekommen?

Westemeyer: Also deutlich wurde, dass heute eigentlich nichts mehr selbstverständlich ist. Der Erzbischof hat am Anfang eine sehr eindrucksvolle Predigt zu diesem Thema gehalten. Nichts ist heute mehr selbstverständlich, erst recht nicht in Glaubensfragen. Nichts ist mehr so eindeutig, wie es vielleicht früher einmal war. Das heißt, man muss heute auch lernen Ambivalenzen auszuhalten, die es nun mal gibt.

DOMRADIO.DE: Die gibt es auch in der Religion. Was meint er damit?

Westemeyer: Die gibt es im täglichen Leben, die gibt es auch in der Religion. Schon unsere Liturgie ist ja so angelegt, dass sie einerseits Vertrautes widerspiegelt und auch Heimat in ihren Ritualen gibt. Andererseits fordert sie aber auch, in die Welt hinauszugehen.

Das heißt, dass wir immer wieder aufbrechen müssen. Das ist heute vielleicht noch stärker der Fall als früher, als alles noch sehr homogen und geschlossen war. Damit umzugehen, das ist eine ganz große Herausforderung. Das war, glaube ich, das große Thema dieser pädagogischen Woche. Das hat zwischen den Lehrerinnen und Lehrern zu ganz interessanten Gesprächen geführt.

DOMRADIO.DE: Wenn wir uns die Gespräche so angucken, die Sie geführt haben, sind denn die Pädagogen eher deprimiert mit der Lage oder sind sie eher hoffnungsvoll?

Westemeyer: Ich kann immer nur für die sprechen, die zu den Fortbildungen kommen. Die sind einfach total engagiert. Die Lehrerinnen und Lehrer werden in den Schulen mit irgendwelchen Debatten oder mit irgendwelchen neuen Regelungen konfrontiert. Das ist für die Tagesgeschäft. Die gucken nach vorne und brennen.

Herr Kaube sagte am Ende ganz kühn: Wenn Sie ganz viele begabte in der Schule haben, dann schicken Sie die später nicht in die Wissenschaft und in die Universitäten, sondern die sollen in die Schule. Die sollen Lehrer werden. Das heißt: Eigentlich müssten die besten in der Schule unterrichten, weil es so wichtig ist, dass die Kinder die besten Lehrerinnen und Lehrer haben.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Christoph Westemeyer (Erzbistum Köln)
Quelle:
DR