Streit um bundesweite Buch-Verschenkaktion zum Weltkindertag

Rotes Tuch Amazon

Die Zusammenarbeit der Stiftung Lesen mit Amazon sorgt für heftige Kritik beim Buchhandel. Der Branchenverband Börsenverein will den Einfluss des US-Internethändlers in Deutschland mit allen Mitteln bekämpfen.

Autor/in:
Christoph Arens
Kinder lesen / © Jens Kalaene (dpa)
Kinder lesen / © Jens Kalaene ( dpa )

Was sollte man an dieser Aktion auszusetzen haben? Zum Weltkindertag im September wollen die "Stiftung Lesen" und der Internethändler Amazon eine Million Märchenbücher verschenken – darin: elf Märchen der Brüder Grimm und eine Handvoll neu geschriebener Geschichten. Verteilt werden sollen diese Gratisbücher von den Buchhandelsketten Thalia und Hugendubel.

Doch was als sympathische Aktion zur Leseförderung angekündigt wird, sorgt für heftigen Streit mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Zum wiederholten Mal arbeite die Stiftung Lesen am Buchhandel vorbei, heißt es. Der Branchenverband sieht die Buchhandlungen vor Ort ausgegrenzt und stößt sich insbesondere an der Beteiligung von Amazon. Für Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, ist das ein rotes Tuch. Denn schließlich versucht der deutsche Buchhandel seit langem, ein Gegengewicht gegen den übermächtig erscheinenden Internethändler aufzubauen - beispielsweise durch den E-Book-Reader Tolino, der Amazons Kindle Konkurrenz macht.

"Das ist genau die Strategie"

Die Geschenkaktion sei eine "verkappte Marketingaktion vor allen Dingen des großen Internetbuchhändlers Amazon, um an Daten von Kunden zu kommen", kritisierte Skipis im Deutschlandfunk. Die Stiftung Lesen mache sich damit zum Steigbügelhalter der Strategie von Amazon, als einziger Vermittler zwischen Leser und Autor aufzutreten. "Das ist genau die Strategie, die Amazon fährt. Sie möchten gerne die Verlage und natürlich auch die Buchhandlungen vom Markt verschwinden sehen."

Skipis zitiert dabei Amazon-Chef Jeff Bezos, der gesagt habe: "Verlage muss man jagen wie Gazellen." Für den Börsenverein heiße das: Amazon ist ein Player in diesem Markt, "den wir mit allen Mitteln bekämpfen". Skipis droht, dass der Börsenverein, ein Gründungsmitglied der Stiftung Lesen, aus dem Stifterrat der Organisation aussteigt und damit auch die finanzielle Unterstützung einstellt. Dass mit Thalia und Hugendubel der stationäre Buchhandel mit Amazon kooperiert, sorgt in der Branche für zusätzlichen Verdruss. Allerdings sind sie - wie seit Jahresbeginn auch Amazon - ebenfalls Mitglied im Stifterrat der Stiftung Lesen.

Lesen und Vorlesen

Skipis kritisiert, dass kleinere und mittlere Buchhandlungen gar nicht erst angefragt worden seien. Dabei seien sie es vor allem, "bei denen Bücher neuer Autoren entdeckt werden, die ein hohes Beratungsgeschäft leisten und vor allem Leseförderung". Die in Mainz ansässige Stiftung Lesen reagierte am Freitag mit deutlicher Zurückhaltung. Hauptgeschäftsführer Jörg F. Maas verteidigte die Aktion, bot dem Börsenverein aber Gespräche über gemeinsame Projekte an und betonte die gemeinsamen Interessen.

Wichtigstes Ziel der Stiftung sei es, insbesondere Familien für das Lesen und Vorlesen zu begeistern, die bislang keinen Zugang zu Büchern hätten, sagte Maas der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Dazu gebe es eine Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen Bündnispartnern, darunter etwa Kinderärzte, Medien, Leseclubs und auch Amazon. Die Kooperation mit dem Buchhandel sei ein Teil davon.

Daten abgreifen?

Mit Blick auf einen möglichen Ausstieg des Börsenvereins aus der Stiftung Lesen warnte Maas vor voreiligen Schlüssen. Es gebe große Schnittmengen in den Zielen von Buchbranche und Stiftung Lesen. "Wir liegen gar nicht so weit auseinander", sagte er und verwies auf die jährlichen Buch-Geschenkaktionen zum Welttag des Buches im April, an denen jeweils mehrere tausend Buchhandlungen beteiligt sind. Auch der Börsenverein habe in seiner Marktstudie vom vergangenen Jahr das Ziel formuliert, neue Leser- und Käuferschichten zu gewinnen, auch durch außergewöhnliche Aktionen, fügte Maas hinzu. "Leseförderung muss auf 1.000 verschiedenen Schauplätzen passieren."

Maas wandte sich auch gegen den Vorwurf von Skipis, Amazon werde durch die Aktion ermöglicht, an Daten der Kunden zu kommen. Bei der Verschenkaktion gehe es nicht um die Werbung neuer Kunden für den Internethändler. "Dafür würden wir uns nicht hergeben", sagte der Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen. Die Herausforderungen bei der Leseförderung in Deutschland seien groß genug; da seien Bündnispartner immer willkommen.


Quelle:
KNA