Das "Oratorio" ist ein beliebter Ort der Jugendarbeit

Kochen, beten, Fußball spielen

Es gibt sie in ganz Italien, die "Oratori", Jugendzentren, die zumeist einer Kirche angeschlossen sind. Wie sind sie entstanden und was leisten sie für die Jugend vor Ort?

Autor/in:
Roland Juchem
Kirche Oratorium des Hl. Philipp Neri in Rom / © Kristi Blokhin (shutterstock)
Kirche Oratorium des Hl. Philipp Neri in Rom / © Kristi Blokhin ( shutterstock )

Was haben im Italienischen eine architektonische Bauform, eine liturgische Musikgattung, ein Gebetsraum und ein Jugendzentrum gemeinsam? Sie alle werden mit dem Begriff "oratorio" bezeichnet. Am weitesten vom ursprünglichen Bedeutungsfeld "beten" entfernt hat sich das "oratorio" als Jugendzentrum.

Gemeint sind Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche, die meist einer Pfarrei, manchmal aber auch einer Schule angeschlossen sind. Denn wie in Deutschland und anderen Ländern hat auch in Italien die Kirche eine lange Geschichte der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen innerhalb wie außerhalb der Schule.

Eine Reform des Glaubenslebens

Ursprünglich ist das Oratorium ein Raum für das Gebet einer Gemeinschaft von Ordensleuten. Als der toskanische Priester Philipp Neri sich im 16. Jahrhundert daran machte, das etwas heruntergekommene Glaubensleben der Einwohner Roms zu reformieren, gründete er unter anderem 1550 eine Gemeinschaft von Klerikern und Laien, die regelmäßiges Gebet und einen echten christlichen Lebensstil pflegen sollten.

Dazu gründete er das erste Oratorium im moderneren Sinn des Wortes. Dieser Gemeinschaft wies der damalige Papst die Kirche Santa Maria in Vallicella zu, die sogenannte Chiesa Nuova am Corso Vittorio Emanuele II. Dort wurde gebetet, in der Bibel gelesen und - wurden Jugendliche unterrichtet.

Anfang des 19. Jahrhunderts dann begannen Ordensfrauen und Priester vor allem in den von der Industrialisierung betroffenen Städten des Nordens, Kinder und Jugendliche von der Straße zu sammeln: etwa Maddalena von Canossa in Verona oder Giovanni Bosco in Turin.

Zunehmende Anerkennnug durch den Staat

Zunächst versammelte Don Bosco die Kinder und Jugendlichen in der Sakristei seiner Kirche; später traf man sich nebenan unter einem Schutzdach mit ein bisschen Rasen dabei.

Insbesondere aus der Arbeit Don Boscos - der Orden der Salesianer Don Boscos ist bis heute vor allem in der Erziehung und Ausbildung junger Menschen aktiv - entstand die moderne Form kirchlicher Jugendarbeit in Italien. Diese bereitete sich von Norden her im ganzen Land aus, wurde vor allem in der Lombardei und dem Erzbistum Mailand sehr gefördert. In den vergangenen Jahren anerkannte der italienische Staat die Oratorien mehr und mehr als Form offizieller Jugendarbeit und fördert sie entsprechend.

Kirche, Sportplatz und Küche

Wie solch ein Oratorio aussieht, variiert von Ort zu Ort. Meist gehört ein Sportplatz dazu - in Italien natürlich für Fußball.

Mancher Profi hat seine Kickerkarriere hier begonnen. Aber auch Spielgeräte, Gruppen- und Spielräume oder solche für Filmvorführungen oder Theaterstücke sind zu finden. Gut ausgestattete Oratorien haben eine kleine Küche oder eine Bar.

Betreut und angeleitet werden die Kinder und Jugendliche, die dorthin kommen, von Seelsorgern - Priestern oder Schwestern - sowie Sozialarbeitern und Freiwilligen. Die Angebote reichen vom Kochen bis zum Theaterspiel, vom Fußball bis zur Katechese. Je nach Engagement der Verantwortlichen geht es schon mal vom Sportplatz in die benachbarte Kirche zum Gebet. Insofern ist dieses Oratorio dann doch nicht so weit entfernt vom ursprünglichen "orare".


Quelle:
KNA