Mit dem Ehrentitel "Löwe von Münster" ging Kardinal Clemens August von Galen in die Geschichte ein. Vor 75 Jahren hielt er seine berühmten Predigten gegen die totalitäre Herrschaft der Nazis. Sie wurden unter der Hand in ganz Deutschland und an allen Fronten verbreitet.
Als einer von wenigen Bischöfe rang sich der "Löwe von Münster" zu öffentlichem Protest durch. Schon zu Beginn der NS-Herrschaft hatte Galen, bei dessen Bischofsweihe 1933 erstmals Braunhemden in den Dom einmarschiert waren, deutliche Worte gefunden: 1934 brandmarkte der Geistliche die rassistischen und an eine pseudo-germanische Religion anknüpfenden Vorstellungen des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg. In der Folgezeit protestierte er immer wieder gegen die totalitäre Herrschaft der Nazis.
Am deutlichsten wird das in drei Predigten vom Juli und August 1941: Weil Ordensniederlassungen von der Gestapo einfach aufgelöst und die Mönche und Nonnen aus ihrer Heimatprovinz ausgewiesen worden waren, kritisierte er am 13. und 20. Juli mit scharfen Worten die Rechtlosigkeit in Deutschland.
Am 3. August 1941 prangerte der Bischof auch den organisierten Mord an Altersschwachen und Geisteskranken an. "Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den 'unproduktiven' Menschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden." Mutige Worte, mit denen von Galen dafür sorgte, dass die Nazis das Euthanasie-Programm zumindest stark einschränkten: Zwischen Januar 1940 und August 1941 waren der von Hitler persönlich angeordneten "Erwachseneneuthanasie" mindestens 70.000 Insassen von Heil- und Pflegeanstalten zum Opfer gefallen. Nach den Predigten des Bischofs wurde die sogenannte Aktion T4 zunächst abgebrochen. Der Luftkrieg ab 1943 und der dadurch wachsende Bedarf an Krankenhäusern lieferte dann erneut den Vorwand, um die Mordaktion wieder aufzunehmen. Nach Schätzungen wurden nach August 1941 nochmals 30.000 Behinderte ermordet.
Von Galens Standhaftigkeit wurde weltweit anerkannt. Am 21. Februar 1946 erhob Papst Pius XII. den Münsteraner Bischof in Rom zum Kardinal. Einen Monat nach seiner triumphalen Rückkehr starb von Galen am 22. März 1946. 2005 wurde er seliggesprochen. (kna)
26.02.2019
Eine herausfordernde Rätselgeschichte mit ernstem Hintergrund - der mobile Escape Room "Der Löwe von Münster" beleuchtet die Kirchengeschichte von 1941. Und kann zum Beispiel von Schulen und Gemeinden gebucht werden.
DOMRADIO.DE: Die Zeitreise führt die Mitspieler ins Jahr 1941, in dem der ehemalige Bischof von Münster und seine mutigen Predigten eine wichtige Rolle spielen. Welche Story steckt hinter dem Escape Room "Der Löwe von Münster".
Matthias Hecking (Mitentwickler des Escape Rooms "Löwe von Münster"): Die Story ist eine historische Begebenheit, dass der damalige Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, am 3. August 1941 in der Lambertikirche ganz mutig öffentlich gegen die Verbrechen der Nazis gepredigt hat, nämlich über die systematische Tötung von Behinderten. Das hat damals sehr große Wellen geschlagen. Die Menschen waren begeistert, dass endlich mal einer den Mut hatte, den Mund aufzumachen. Sie wollten diese Predigten dann weiterverbreiten - haben sie untereinander abgeschrieben, Flugblätter verteilt, alles im Verborgenen. Daran waren auch Pfadfinder beteiligt - und das ist unsere Geschichte. Im Escape Room "Löwe von Münster" personifizieren die Spieler Pfadfinder, die im Arbeitszimmer ihres Gruppenleiters Flugblätter dieser Predigt finden müssen.
DOMRADIO.DE: Der mobile Escape Room ist also in diesem Falle verknüpft mit einem Stück Geschichte. Sind denn hauptsächlich Jugendliche und Schülergruppen angesprochen?
Hecking: Schülergruppen sind der eine Teil. Wir haben zwei identische Kopien des Escape Rooms. Damit können wir Schulklassen wunderbar durch dieses Spiel führen, allerdings auch Gemeinde-Gruppen. Das ist für alle Generationen etwas. Gerade die Mischung aus Jung und Alt ist bei einem historischen Thema immer total wertvoll.
DOMRADIO.DE: Das heißt, dieser Escape Room ist auch ein bisschen Wissensvermittlung für Schüler?
Hecking: Ja. Im Schulbereich ist es eine andere Art von Unterricht, kann man sagen. Denn Bischof von Galen hat damals in schwieriger Zeit den Mund aufgemacht. Er hat sich getraut, das Schweigen zu brechen und wirklich mal darüber zu erzählen, was die Nazis für Verbrechen begehen. In dieser Situation befinden sich die Schüler heute natürlich nicht, dass sie Gefahr laufen, bei der Verteilung einer Predigt möglicherweise ins Gefängnis zu kommen. Aber, dass man sich auch heute couragiert für ein friedliches Miteinander und für andere Menschen einsetzt, und dass jedes Leben gleich viel wert ist, das ist - denke ich - eine zeitlose Botschaft. Und die kann man super damit verknüpfen.
DOMRADIO.DE: Also, die Teilnehmer reisen in diese Zeit, versuchen sich in die Menschen von damals hineinzuversetzen und müssen wahrscheinlich auch zum Teil so denken wie diese Menschen, um die Rätsel zu lösen.
Hecking: Genau. Die Rätsel sind so aufgebaut, dass alles authentisch aus dem Jahr 1941 ist. Die Requisiten sind zum allergrößten Teil tatsächlich aus der Zeit. Im Rätsel kommt die Predigt des Bischofs vor. Die Spieler müssen sie lesen, müssen sich auch mit dem Inhalt auseinandersetzen. Das alles ist in die Rätsel eingewoben. Es ist ein schwieriger Grat, aber wir versuchen diesen Spagat zu schaffen zwischen historischem, ernstem Thema und auch spielerischer Wissensvermittlung mit Tiefgang. Und das funktioniert nach bisheriger Erfahrung.
DOMRADIO.DE: Woraus besteht denn der Escape Room? Kann man sich das ähnlich vorstellen wie Theaterkulissen?
Hecking: Ganz genau. Wir haben Theaterkulissen gebaut, aus Holzrahmen und mit Stoff bespannt - wie sie tatsächlich im Theater Verwendung finden. Wir können den Raum genau so, wie er sein soll, an jedem beliebigen Ort aufbauen. Wir bringen das Inventar komplett mit und können den Escape so, wie wir ihn gern bespielen möchten, wirklich vor Ort eins zu eins nachbilden.
DOMRADIO.DE: Wenn jetzt eine Pfarrgemeinde den Escape Room buchen möchte, wird der aber doch nicht mal eben für eine Stunde aufgebaut. Das wäre wahrscheinlich viel zu aufwendig, oder?
Hecking: Der Aufbau dauert etwa einen Tag. Was sich empfiehlt, ist einfach die Verknüpfung von Schule und Gemeinde. Vormittags haben die Schulen natürlicherweise etwas mehr Zeit. Abends, nachmittags oder am Wochenende ist es auch eine tolle Sache für Gemeinden, um das Gemeindeleben noch einmal weiter zu fördern oder sogar vielleicht neue Menschen in die Kirche einzuladen.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja Escape Rooms mit vielen unterschiedlichen Thematiken. Sie haben sich jetzt diesen kirchenhistorischen Aspekt herausgegriffen. Warum?
Hecking: Ich glaube, dass als Botschaft hinter von Galen letztendlich steht, dass man auch aus christlicher Sicht nicht nur im theoretischen Gebet verharrt, sondern dass man eben auch handeln muss. Das hat Bischof von Galen damals getan, indem er gegen interne Widerstände oder gegen das Schweigen gesagt hat: Ich muss mutig sein. Ich muss vielleicht eine Gewissensentscheidung treffen. Ich muss jetzt an die Öffentlichkeit gehen und einfach meine Überzeugung sagen und auch handeln. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Botschaft, die man auch heute immer wieder brauchen kann.
Das Interview führte Dagmar Peters.
Mit dem Ehrentitel "Löwe von Münster" ging Kardinal Clemens August von Galen in die Geschichte ein. Vor 75 Jahren hielt er seine berühmten Predigten gegen die totalitäre Herrschaft der Nazis. Sie wurden unter der Hand in ganz Deutschland und an allen Fronten verbreitet.
Als einer von wenigen Bischöfe rang sich der "Löwe von Münster" zu öffentlichem Protest durch. Schon zu Beginn der NS-Herrschaft hatte Galen, bei dessen Bischofsweihe 1933 erstmals Braunhemden in den Dom einmarschiert waren, deutliche Worte gefunden: 1934 brandmarkte der Geistliche die rassistischen und an eine pseudo-germanische Religion anknüpfenden Vorstellungen des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg. In der Folgezeit protestierte er immer wieder gegen die totalitäre Herrschaft der Nazis.
Am deutlichsten wird das in drei Predigten vom Juli und August 1941: Weil Ordensniederlassungen von der Gestapo einfach aufgelöst und die Mönche und Nonnen aus ihrer Heimatprovinz ausgewiesen worden waren, kritisierte er am 13. und 20. Juli mit scharfen Worten die Rechtlosigkeit in Deutschland.
Am 3. August 1941 prangerte der Bischof auch den organisierten Mord an Altersschwachen und Geisteskranken an. "Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den 'unproduktiven' Menschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden." Mutige Worte, mit denen von Galen dafür sorgte, dass die Nazis das Euthanasie-Programm zumindest stark einschränkten: Zwischen Januar 1940 und August 1941 waren der von Hitler persönlich angeordneten "Erwachseneneuthanasie" mindestens 70.000 Insassen von Heil- und Pflegeanstalten zum Opfer gefallen. Nach den Predigten des Bischofs wurde die sogenannte Aktion T4 zunächst abgebrochen. Der Luftkrieg ab 1943 und der dadurch wachsende Bedarf an Krankenhäusern lieferte dann erneut den Vorwand, um die Mordaktion wieder aufzunehmen. Nach Schätzungen wurden nach August 1941 nochmals 30.000 Behinderte ermordet.
Von Galens Standhaftigkeit wurde weltweit anerkannt. Am 21. Februar 1946 erhob Papst Pius XII. den Münsteraner Bischof in Rom zum Kardinal. Einen Monat nach seiner triumphalen Rückkehr starb von Galen am 22. März 1946. 2005 wurde er seliggesprochen. (kna)