Warum Nikotin und Alkohol weiter riesige Schäden anrichten

"Man kommt leicht an diese Mittel ran"

Die Zahl der Toten durch illegale Drogen in Deutschland ist nach längerer Zeit leicht gesunken. Aber die Präventionsarbeit stößt trotzdem an ihre Grenzen, so der Drogenbeauftragte im Erzbistum Köln. Alkohol und Nikotin seien zu selbstverständlich.

Ein Mann trinkt am in einer Kneipe ein Glas Bier und hat eine Zigarette in der Hand / © Oliver Berg (dpa)
Ein Mann trinkt am in einer Kneipe ein Glas Bier und hat eine Zigarette in der Hand / © Oliver Berg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Weniger Tote durch Drogen. Das klingt doch erst einmal sehr gut. Wie schätzen Sie den Bericht denn ein?

Pfarrer Christian Ott (Suchtberater im Erzbistum Köln): Wenn es weniger Tote gibt, dann ist das natürlich ein Erfolg. Das ist es auch für die Präventionsarbeit in dem Bereich. Aber ein Rückgang alleine ist oft nicht genug.

Denn schauen wir auf die Zahlen beim Alkohol. Hier ist der Pro-Kopf-Verbrauch schon seit Jahren rückläufig. Aber nicht genug. Die Folgen sind leider immer noch zu schwerwiegend für den Einzelnen und die Gesellschaft.

DOMRADIO.DE: Was immer wieder in diesen Berichten von der Bundesregierung auftaucht ist der Satz "Alkohol und Nikotin wird verharmlost". Aber daran ändert sich scheinbar auch irgendwie nichts, oder?

Ott: Das hat viel mit unserer Kultur zu tun. Man kommt leicht an diese Mittel ran. Man kann sie sich relativ leicht verschaffen. Dadurch kommen auch Kinder und Jugendliche relativ früh damit in Kontakt, auch wenn da gesetzliche Bestimmungen natürlich anders lauten. Aber wir wissen alle, dass es trotzdem möglich ist, sich beides zu beschaffen. Das ist das falsche Signal.

DOMRADIO.DE: Was müsste passieren, damit das nicht mehr so verharmlost wird?

Ott: Ich glaube, wir müssen eine Kultur entwickeln, in der Alternativen zu Alkohol selbstverständlich sind. Es kann nicht sein, dass man schief angeguckt wird, nur weil man jetzt keinen Alkohol trinken möchte, oder weil man nicht raucht. Derjenige steht oft unter einem Rechtfertigungsdruck. Es müsste eigentlich normal sein, das eben nicht zu tun.

DOMRADIO.DE: Weiterer Streitpunkt ist, ob Cannabis legalisiert werden soll, oder eben nicht. Gerade wurde es in Kanada legalisiert. Die Drogenbeauftragte warnt jetzt vor einem solchen Schritt in Deutschland. Warum?

Ott: Ich habe lange als Seelsorger in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet. Dort habe ich mit Menschen zu tun gehabt, die etwa in eine Psychose oder in eine andere psychisch schwerwiegende Erkrankung geraten sind, nachdem sie ein- bis zweimal Cannabis zu sich genommen hatten. Je nachdem kann das also sehr schwerwiegende Folgen haben. Man weiß oft nicht, was man für Anlagen mitbringt.

DOMRADIO.DE: Also sehen Sie es eher ein bisschen kritisch, was gerade in Kanada passiert?

Ott: Ja, sehr. Eine Legalisierung ist das falsche Signal. Es suggeriert nämlich - ähnlich wie bei Tabak und Alkohol - es wäre ganz normal. Hauptsache, es geht einem gut und man ist locker drauf. Aber so kann es nicht gehen.

DOMRADIO.DE: Was ist denn Ihr Ansatz, Menschen vom Drogenkonsum abzuhalten, oder wie kann die Kirche etwas gegen Sucht und für Suchtbetroffene tun?

Ott: Auf der Ebene der Kirchengemeinden und Seelsorgebereiche haben wir bisher zum Glück wenige Probleme mit Drogensucht. Man weiß nicht, ob das so bleibt. Aber, womit wir relativ viel zu tun haben, ist Alkohol und Nikotin. Bei Nikotin würde ich immer sagen, da hilft es, wenn man wirklich auch präventiv Kurse besucht und dort den Verzicht trainiert. Die werden auch durch Krankenkassen unterstützt. Bei Alkohol muss man immer schauen. In der Regel ist die Scham sehr hoch. Meistens ist es so, dass andere erkennen, dass da was nicht stimmt. Wir suchen dann maßgeschneidert Hilfe.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR