Neue Untersuchung zu den Beweggründen ehemaliger Katholiken

Junge US-Amerikaner wenden sich von der Kirche ab

Es ist ein Alarmzeichen für die Gemeinden: Viele junge Katholiken in den USA kehren der Kirche den Rücken. Eine aktuelle Studie beschreibt, wie es dazu kommt. Die Gründe sind vielfältig.

Autor/in:
Thomas Spang
USA-Flagge vor abbröckelndem Papstbild / © Justin Lane (dpa)
USA-Flagge vor abbröckelndem Papstbild / © Justin Lane ( dpa )

Sie kamen als Katholiken auf die Welt, wuchsen im Glauben ihrer Eltern auf und wenden sich nun in großer Zahl von ihrer Kirche ab. Viele katholische Gemeinden in den USA verfolgen mit Sorge, wie der Nachwuchs scheinbar plötzlich verschwindet. Der Besuch der heiligen Messe und die Teilhabe an den Sakramenten scheint den Jüngeren nicht mehr wichtig zu sein.

Es sind viele der 15- bis 25-Jährigen, die laut einer Studie des "Center for Applied Research in the Apostolate" (CARA) der Georgetown University entweder gar nichts mehr glauben oder einfach nur "gute Menschen" sein wollen. Mit der organisierten Religion jedenfalls wollen sie nichts mehr zu tun haben.

"Heuchelei der Kirchenhierarchie"

Die Gründe dafür reichen der Studie zufolge von erzwungenem Kirchgang seitens der Eltern über Missbrauchserfahrungen bis hin zu dem, was als "Heuchelei der Kirchenhierarchie" empfunden wird. Denn die Kirchenoberen halten sich aus Sicht etlicher Jugendlicher selbst nicht an das, was sie predigen.

Bisher wird der Aderlass der Jungen in den Gemeinden noch kompensiert durch zugewanderte Latinos, die meist katholisch sind. Doch aus der Generation der unter 25-Jährigen kommen für die US-Kirche ansonsten immer weniger Mitglieder nach. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Fast 13 Prozent der 18- bis 25-Jährigen US-Amerikaner sind ehemalige Katholiken. Unter den 15- bis 17-Jährigen bezeichnen sich fast sieben Prozent als Ex-Katholiken.

Das katholische Amerika aufgerütteln

Ein wenig Hoffnung für die Pastorale macht eine andere Zahl: Laut der Studie bleibt rund ein Drittel der Betroffenen auf der Suche. Sie haben zwar mit der Religion abgeschlossen, glauben aber immer noch an etwas "Großes", vielleicht sogar an Gott. Ganz sicher sind sie sich dabei nicht. Knapp die Hälfte der Abtrünnigen sucht andere Wege der Spiritualität außerhalb der Kirche.

Die Studie mit dem Titel "Going, Going, Gone: The Dynamics of Disaffiliation in Young Catholics" hat das katholische Amerika aufgerüttelt. Ein als "National Conversation" über zwei Tage angesetztes Hearing mit führenden Katholiken des Landes, versuchte kürzlich, die Beweggründe für das Abdriften der Jugend zu ergründen.

Hauptgruppen von Kirchenverweigerern

"Wir waren nicht so sehr daran interessiert, quantitative Antworten zu finden", so der Präsident von Saint Mary's Press, John Vitek, der die Studie in Auftrag gab. Vielmehr sei es um "qualitative Befunde" gegangen.

Unter dem Strich haben die Verfasser der Studie drei Hauptgruppen von Kirchenverweigerern ausgemacht: Die Verletzten, die schlechte familiäre oder kirchliche Erfahrungen gemacht hätten. Die Suchenden, die nur einen unsicheren, nicht gefestigten Glauben hätten. Und die Andersdenkenden, die die Kirche ablehnten und sie mitunter offen attackierten.

Etikett "guter Katholik"

Die kulturelle Säkularisierung, so die Untersuchung, sei einer der wichtigsten Gründe für die aufgekündigte Gefolgschaft der Jüngeren. Glaube und Religion seien für die Ehemaligen nur noch eine Option unter vielen. Wenn es eine weit verbreitete Überzeugung unter den jungen ehemaligen Katholiken gebe, dann die, dass ein ethisch korrektes Leben keine Religion erfordere.

Moralischer Rigorismus gehört demnach zu den Erfahrungen, die viele abschrecken, die im Prinzip für Gott und Kirche offen sind. Diese Menschen stört das Etikett des "guten Katholiken" und das zuweilen richterliche Gehabe von Vertretern der Kirchenhierarchie.

Erfahrungswelt der Jüngeren

"Auf der einen Seite suchen die jungen Menschen nach Gemeinschaft", so der Soziologe Josh Packard von der University of Northern Colorado. Von der Kirche fühlten sie sich jedoch nicht angenommen, sondern verurteilt. Sie fürchteten, "nie ein voll angenommener Teil werden zu können". Dies gehe einher mit einer Grundhaltung, die Autorität im Kern ablehne.

Insgesamt seien die Beweggründe für die Kirchen- und Religionsflucht der jungen Generation aber kompliziert und vielschichtig, meint Elizabeth Drescher, Religionswissenschaftlerin an der Santa Clara University. Traditionelle religiöse Strukturen hätten es heute schlicht sehr schwer in der Erfahrungswelt der Jüngeren, die von Digitalisierung und Globalisierung geprägt sei.


Quelle:
KNA