Ernannter Berliner Erzbischof Koch erinnert sich an Weltjugendtag in Köln

"Eine eindrucksvolle Zeit"

Vor zehn Jahren fand in Köln der Weltjugendtag statt. Der ernannte Berliner Erzbischof Heiner Koch war damals Prälat im Erzbistum Köln und Mitorganisator. Im domradio.de-Interview erzählt er von schlaflosen Nächten und großen Momenten.

Prälat Koch und der damalige Jugendbischof Bode 2005 (Erzbistum Köln)
Prälat Koch und der damalige Jugendbischof Bode 2005 / ( Erzbistum Köln )

domradio.de: Wenn Sie sich jetzt ganz spontan an den Weltjugendtag 2005 zurückerinnern, was ist der erste Gedanke, der Ihnen da ins Gedächtnis kommt?

Heiner Koch: Die lange Zeit der Vorbereitung. Das Erste, das mir in den Sinn kommt, ist die Zusammenarbeit mit den jungen Erwachsenen aus der ganzen Welt, die zwei Jahre mit uns gelebt und gearbeitet haben. Was haben wir in der Zeit geschuftet und versucht, an Unvorhersehbarem zu planen. Das war eine tolle Gemeinschaft, die sich da entwickelt hat. Das Zweite sind sicherlich die Begegnungen mit Johannes Paul II., der immer schwächer wurde. Er hat uns das Leitwort des Weltjugendtages "Wir sind gekommen, um ihn anzubeten" gegeben. Wir haben uns immer weiter auf ihn eingelassen und damit das Programm reduziert. Dann ist Johannes Paul II. gestorben, was sicherlich nicht unerwartet kam. Darauf folgten die ersten Begegnungen mit Benedikt XVI. und die Bilder mit ihm auf dem Rhein. Es war sein erster Auftritt als Papst in Deutschland. Er war da noch ganz schüchtern. Kardinal Meisner hat ihn immer wieder bewegt, an die Seite zu gehen und den Jugendlichen, die am Rhein standen, zuzuwinken. Das war schon sehr eindrucksvoll. Die Vigil-Nacht war für mich dann der geistliche Höhepunkt. Und schließlich die Erleichterung, als der Weltjugendtag vorbei war und keine größere Katastrophe passiert ist. Gerade in der Woche danach sind in Indien große Katastrophen geschehen. Das hat mich den Atem anhalten lassen.

domradio.de: Das heißt, Sie waren schon sehr froh, als alles über die Bühne gegangen ist?

Heiner Koch: Ja und nein. Ich bin in ein Loch gefallen. Das war zweifelsohne so, auch wenn es nach dem Weltjugendtag noch viel Arbeit gab. Beispielweise musste alles abgewickelt werden, Rechnungen mussten beglichen werden, die Jugendlichen wurden teilweise an andere Arbeitsstellen verteilt. Wir haben noch Verfahren wegen der Verpflegung führen müssen. Es ging ja noch weiter und dauerte alles noch. Aber erstmal war die Spannung weg. Ich hatte die Tage vor dem Beginn des Weltjugendtages, um ehrlich zu sein, fast gar nicht geschlafen und war ständig unterwegs. Aber ich habe auch tiefe Dankbarkeit und Freude empfunden, weil man von Gästen signalisiert bekam, wie gut diese Wallfahrtstage für sie waren. Das ist das, was geblieben ist. Das hat man ja so im Management und der Organisation stehend gar nicht so erlebt.

domradio.de: Wieviel haben Sie überhaupt von den Tagen mitbekommen?

Heiner Koch: Ich habe die Tage unheimlich intensiv aber auch von einer ganz anderen Perspektive erlebt. Wir hatten die Sorge um den Hauptbahnhof, der immer wieder geschlossen werden musste, Angst um das Wetter und die Frage des Krankenlazaretts. Die Begleitung der vielen kirchlichen Gäste, wie den Papst und die Bischöfe, die da kamen, oder der Staatsgäste musste organisiert werden. Das war eine irrsinnige Vielfalt, die auf so ein Amt einströmte. Unfassbar, wie wir das geschafft haben.

domradio.de: Hatten Sie denn auch mal die Gelegenheit, durchzuatmen und einen kleinen Moment für sich zu genießen?

Heiner Koch: Ja, das habe ich mir einfach gegönnt. Ich habe mich häufiger einfach auf die Komödienstraße gesetzt, Kaffee getrunken und den Jugendlichen zugeschaut, wie sie entlang gegangen sind. Das war für mich Atmen ohne zu wissen, wie man es tut. Ich habe für mich eine halbe Stunde Zeit gehabt in der Nacht zur Vigil. Aber ich habe mich zwischendurch auch mal zurückgezogen. Allerdings nicht, um zu schlafen, sondern um da zu sein vor Gott und den Menschen.

domradio.de: Jetzt ist der Weltjugendtag zehn Jahre vorbei. Viele können gar nicht glauben, dass es schon so lange her ist. Was, glauben Sie, ist geblieben von den Tagen hier in Köln?

Heiner Koch: Ich bin ja für die deutschsprachigen katholischen Gemeinden im Ausland zuständig. Wo ich im Ausland auch hinkomme, werde ich auf den Weltjugendtag angesprochen. Es ist kolossal, wieviel der bewegt hat. Es ist für mich auch sehr beeindruckend, wenn ich im Ausland Priestern begegne, die vor ein paar Jahren geweiht worden sind und die sich in Köln auf den Weg gemacht haben. Natürlich gibt es auch solche Aktionen wie "Nightfever", die weiter gegangen sind. Als ich jetzt im Juni an Peter und Paul in Rom das Pallium als neuer Erzbischof überreicht bekam, ging ich beim Einzug in die Kathedrale zusammen mit dem Bischof Fisher, der jetzt Erzbischof von Sydney geworden ist. Wir zogen vor dem heiligen Vater ein und riefen uns wie beim Weltjugendtag die Worte zu. So war es für mich und so ist es immer noch.

domradio.de: Damals kam Papst Benedikt XVI. als frischgewählter Papst nach Köln. Es gab eine unglaubliche Aufmerksamkeit und einen großen Jubel. Wie war das für Sie?

Heiner Koch: Es waren bewegende Bilder. Das kann man alles gar nicht mehr so planen. Man kann eine Opernveranstaltung planen, aber ein Jugendtreffen mit bis zum Schluss 1,1 Millionen Menschen war nicht mehr planbar. Mich hat es gefreut, dass dies auch ein Großereignis für viele alte Menschen war. Die haben plötzlich gesehen, welche Vitalität und Kraft der Glaube hat. Es ist ein Glaubenszeugnis, gerade in einem manchmal so müden Land wie Deutschland. Diese Kraft haben wir unseren Gästen zu verdanken. Zahlreiche Gemeinden sind damals aufgeblüht und haben durch den Glauben Schwung bekommen. Es ist ja so, dass nicht nur wir etwas gegeben haben, wir haben auch unheimlich viel empfangen. Natürlich gab es auch viele kleine Einzelbegegnungen. Ich denke zum Beispiel an die Begegnung mit dem Kameramann, der ungetauft war und den ich dann nach dem Weltjugendtag getauft habe. Der hat sich sehr in die Liturgie hineingekniet. Und natürlich denke ich an die junge Pilgerin, deren Vater in den USA an ihrem ersten Abend in Köln gestorben ist. Wir haben dann improvisiert und eine heilige Messe gefeiert und dazu die ganze Umgebung eingeladen. Es waren so viele Bischöfe und Jugendliche da. Mit der jungen Frau habe ich heute immer noch Kontakt. Das sind alles persönliche Erinnerungen, die bleiben. Oder wenn ich an die alten Leute an der Straße nach Frechen denke. Schwerstkranke Menschen saßen da am Fenster und sagten: "Herr Prälat, wir haben keine Zeit für das Bett. Wir müssen den Jugendlichen winken." Das sind unheimlich viele Bilder, die man vor Augen hat. Ich habe in diesen Tagen auf meinem Schreibtisch meinen Kalender von damals stehen. Ich verfolge das fast noch stündlich mit und ich blättere jeden Abend in den vielen Briefen, die mir Jugendliche nach dem Weltjugendtag geschrieben haben. Das ist alles noch gegenwärtig für mich.

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR