Laut Umfrage wenig Bezug zu jüdischem Leben

"Trauriges Ergebnis"

Fast jeder zweite Deutsche hat einer Umfrage zufolge bisher keine direkte Berührung mit jüdischem Leben hierzulande. Mehr als die Hälfte verbindet jüdisches Leben mit politischen, historischen Ereignissen und einer entsprechenden Berichterstattung.

Autor/in:
Leticia Witte
Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine ( shutterstock )

Dies ergab die repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD). Der ORD-Vorstand bezeichnete die Ergebnisse als traurig und beklagte, dass das Judentum selten ein Thema an Schulen oder in Medien sei.

Insgesamt 16,6 Prozent der Befragten haben jüdische Freunde und Bekannte. Knapp 18 Prozent der Befragten haben bereits eine Synagoge besucht, 18,7 Prozent haben durch die Schule etwas über jüdisches Leben erfahren. Nur 2,9 Prozent gaben an, durch das aktuell laufende Festjahr zu "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" direkt mit jüdischem Leben in Berührung gekommen zu sein.

In Städten mit einer großen jüdischen Gemeinde wie etwa Berlin und Frankfurt haben vergleichsweise deutlich mehr Menschen direkte Berührungspunkte, etwa durch jüdische Freunde.

Reduzierung auf Nah-Ost-Konflikt und Antisemitismus?

Während über 55 Prozent jüdisches Leben am ehesten mit politischen und historischen Ereignissen sowie einer entsprechenden Medienberichterstattung verbinden, verwiesen 8,9 Prozent auf positive Beiträge von Juden zu Kunst und Kultur sowie zur Wissenschaft (3,5 Prozent). In Deutschland stehen der Holocaust (19,5 Prozent), Antisemitismus und Angriffe auf Juden (14,2 Prozent) sowie die Politik im Nahen Osten und Israel (21,9 Prozent) im Fokus der Wahrnehmung jüdischen Lebens.

Viele Ansichten ergäben sich aus der "gängigen Berichterstattung", so auch bei der Einschätzung der Gefahr beim Thema Antisemitismus, heißt es. Hierzu gaben die Befragten an, dass die größte Gefahr beim Antisemitismus von islamistischer Seite (42,7 Prozent) ausgehe, gefolgt von der politisch rechten Seite (35,4 Prozent). Knapp 10 Prozent sehen eine Gefahr aus der Mitte der Gesellschaft sowie von der politisch linken Seite (4,4 Prozent).

Zu selten Schulstoff

Es sei "ein trauriges Ergebnis und zeigt, dass in der Gesellschaft, etwa in Schulen, Bildungseinrichtungen oder den Medien mehr über jüdisches Leben und den Beitrag von Juden für unsere Gesellschaft vermittelt werden muss", erklärte der ORD-Vorstand, Rabbiner Avichai Apel (Frankfurt), Zsolt Balla (Leipzig) und Yehuda Pushkin (Stuttgart).

Über die positiven Beiträge des Judentums zur deutschen und europäischen Kultur sei nach wie vor viel zu wenig bekannt.

Vorurteile abbauen

Das Judentum ist selten ein Thema an Schulen oder in Medien. "Das sind elementare Bausteine, um Distanzen und Vorurteile abzubauen, damit Unwissenheit oder Angst vor dem Fremden nicht länger in Antisemitismus, Israel-Hass oder gar in Gewalt gegen hier lebende Jüdinnen und Juden umschlagen, die seit 1.700 Jahren ein untrennbarer Teil Deutschlands sind", so die Rabbiner.

Nach den Worten von Philipp W. Hildmann von der Stiftung ist mehr Bildung und Wissensvermittlung dringend nötig.

Civey befragte vom 4. bis 8. November online 10.000 Bundesbürger ab18 Jahren. Mehrfachantworten zu einigen Fragen waren möglich.


Quelle:
KNA