Antisemitismusbeauftragter alarmiert durch Gewalt an Juden

"Die Zeichen erkennen und handeln"

Hamburgs neuer Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel ist angesichts zunehmender antisemitischer Terroranschläge und Gewalt in ganz Europa besorgt. Es gelte daher, fortwährend gegen Diskriminierung zu kämpfen.

Hakenkreuz auf einen Grabstein geschmiert / © Hadrian (shutterstock)
Hakenkreuz auf einen Grabstein geschmiert / © Hadrian ( shutterstock )

"Die Bedrohung, die Jüdinnen und Juden dadurch empfinden, ist alarmierend", sagte Hensel in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Hamburg.

Menschen für Anzeichen sensibilisieren

"Niemand von uns wird in der Lage sein, die nächste Tat zu verhindern", so Hensel. "Aber wir können Menschen, die im Umfeld eines potenziellen Täters stehen, dafür sensibilisieren, dass sie die Zeichen erkennen und handeln."

Hensel kritisierte die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, den Angriff auf einen jüdischen Studenten im vergangenen Jahr in Hamburg nicht als antisemitische Tat zu klassifizieren. Es sei zwar nachgewiesen, dass der Täter alleine gehandelt habe. "Aber er hat nicht seinen Nachbarn, sondern gezielt einen jüdischen Menschen angegriffen." Auch der Angreifer auf die Synagoge in Halle, der laut den Ermittlern ebenfalls als Einzeltäter gilt, habe Muster von anderen Angriffen übernommen.

Radikalisierungsprozesse identifizieren

Er erwarte von den Ermittlungsbehörden, dass sie bei der Aufklärung antisemitischer Straftaten Radikalisierungsprozesse klarer identifizieren. Dazu müsse auch das Thema Hass im Netz in den Blick genommen werden. "Solche Taten entstehen nicht in einem luftleeren Raum, sondern in einer Blase, in der sich die Täter befinden."

Als Antisemitismusbeauftragter will sich Hensel vor allem der Prävention widmen und bestehende Initiativen in Hamburg zusammenführen und bündeln. "Insbesondere junge Menschen, die sich gegen Antisemitismus engagieren, sollen künftig mehr in den Fokus rücken."

Amt zunächst für drei Jahre

In Hamburg gebe es bereits viele verschiedene Schulbesuchs- und Austauschprogramme mit Israel, die er besser vernetzen und koordinieren wolle. Die Diskussion um jüdisches Leben in der Hansestadt - etwa um den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge - bezeichnete Hensel als "sehr lebendig".

Hensel war am Dienstag nach langer Suche zum ersten Antisemitismusbeauftragten Hamburgs ernannt worden. Das Ehrenamt wird er ab 1. Juli zunächst für drei Jahre ausüben. Der 41-Jährige hat als junger Erwachsener zwei Jahre in Israel gelebt und ist seit 2014 Vorsitzender der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft Hamburg.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
KNA
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