Festjahr zur Tradition des Judentum in Deutschland

1.700 Jahre jüdisches Leben

Am 21. Februar beginnt das Festjahr zur Tradition des Judentums in Deutschland und erinnert an ein Edikt von Kaiser Konstantin. Doch die Feierlichkeiten werden von einem zunehmenden Antisemitismus überschattet.

Kippot/Symbolbild Judentum / © Karolis Kavolelis (shutterstock)
Kippot/Symbolbild Judentum / © Karolis Kavolelis ( shutterstock )

Dass es jetzt dieses Festjahr gibt, geht auf ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin zurück, das formal eine Diskriminierung von Juden aufhob. Köln war seinerzeit die Hauptstadt der römischen Provinz Niedergermanien.

Als Juden erstmals im Stadtrat mitwirkten

Dort war es wie im gesamten Reich unüblich, dass Juden im Stadtrat mitwirkten - bis zum Jahr 321, als Konstantin eben jenes Edikt erließ: "Mit einem allgemeinen Gesetz erlauben wir allen Stadträten, Juden in den Rat zu berufen." 

Das Dokument, das heute im Vatikan aufbewahrt wird, gilt als der früheste schriftliche Nachweis für jüdisches Leben nördlich der Alpen. 1.700 Jahre ist das jetzt her. Grund genug, die reiche und große Tradition des Judentums hierzulande mit einem Festjahr zu ehren.

Wegbereiter der jüdischen Aufklärung

Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Im Mittelalter wurden die Städte Speyer, Worms und Mainz geistige und kulturelle Zentren des Judentums mit Rabbinern, die als religiöse Autoritäten Einfluss in Europa hatten. Moses Mendelssohn (1729-1786) war Wegbereiter der "jüdischen Aufklärung" Haskala.

Regina Jonas (1902-1944) aus Berlin war die erste Frau überhaupt, die als Rabbinerin ordiniert wurde. Zuvor hatte sie an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums gelernt.

Die von Abraham Geiger gegründete Hochschule war die weltweit erste akademische Einrichtung des liberalen Judentums, bis die Nationalsozialisten sie schlossen.

Zwei Jahre später wurde Rabbinerin Jonas im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Und dies ist die andere Seite von 1.700 Jahren jüdischem Leben in Deutschland, denn dieses Leben war immer wieder auch bedroht.

Abstruse Verschwörungsmythen schon damals

Die Schoah bezeichnet den Mord der Nationalsozialisten an rund sechs Millionen europäischen Juden in Lagern, Ghettos, auf Todesmärschen, vor aller Augen auf offener Straße oder in entlegenen Wäldern.

Doch auch in den Jahrhunderten davor hatte es Diskriminierungen und Verfolgung von Juden gegeben, sie waren oftmals Sündenböcke und Opfer von abstrusen Verschwörungsmythen.

Auch aus kirchlichen Kreisen waren feindselige Töne zu hören: So forderte beispielsweise Reformator Martin Luther in seiner Hetzschrift "Von den Juden und ihren Lügen" 1543, deren Synagogen und Häuser niederzubrennen und sie in Sammellager zu sperren - sie hätten sich nicht bekehren lassen.

Straftaten mit antisemitischem Hintergrund

Und auch heute ist das Thema Antisemitismus sehr präsent. Die Polizei stellte 2020 so viele judenfeindliche Angriffe fest wie zuletzt 2001. Für 2020 wurden bisher 2.275 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet, wie kürzlich die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion mitgeteilt hatte.

Die meisten Delikte sind demnach Tätern aus dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen. Nicht vergessen werden darf, dass Beleidigungen, Drohungen und Übergriffe mitunter erst gar nicht angezeigt werden.

Auch das Festjahr, das viele kulturelle Veranstaltungen im Programm hat, spart den Antisemitismus nicht aus. Im Gegenteil: Immer wieder wird betont, dass Begegnungen mit Juden und das Kennenlernen ihrer Traditionen dabei helfen könnten, Vorurteile zu überwinden.

"Zeigen, wer wir sind"

In dem Sinne hatte Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) gesagt: "Wir wollen zeigen, wer wir sind, wie wir leben und was wir zur Gesellschaft beigetragen haben und bis heute beitragen."

Außerdem sollten in dem Festjahr stereotypen und antisemitischen Darstellungen Bilder der Realität entgegengesetzt und damit Ressentiments abgebaut werden. "Wir wollen Raum für Begegnungen schaffen. Denn Begegnungen und Gespräche schaffen Nähe."

Kaum ein Deutscher kennt einen Juden persönlich

Maram Stern, Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses, hatte gegenüber der KNA dazu aufgerufen, wieder erblühendes jüdisches Leben der vergangenen Jahre gegen alten und neuen Hass zu schützen. Und: "Mit uns geht es besser. Wir wollen mit jüdischem Optimismus und Tatkraft auch die Zukunft in Deutschland mitgestalten." 

Erst kürzlich machte Zentralratspräsident Josef Schuster in der Süddeutschen Zeitung deutlich, dass er hoffe, dass es gelinge, "zu vermitteln, dass jüdisches Leben etwas Selbstverständliches auf deutschem Boden ist". Die meisten Deutschen kennten persönlich keine Juden - diese machten nur etwa 0,2 Prozent der Bevölkerung aus.

"Nicht immer sorgenfrei"

Gleichwohl sei es nicht ratsam, in bestimmten Großstadtbezirken, etwa mit vielen radikalisierten jungen Muslimen oder mit einem hohen Anteil an Rechtsextremisten, als Jude erkannt zu werden.

Schusters Fazit: Insgesamt könne man sich als Jude in Deutschland frei bewegen - "wenn auch nicht immer sorgenfrei.


Quelle:
KNA
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