Solidaritätsbekundungen und Mahnungen prägen Halle-Gedenken

"Ausgerechnet in Deutschland"

Das Gedenken zum Jahrestag des Anschlag auf die Synagoge in Halle haben Solidaritätsbekundungen und Mahnungen geprägt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte, der Kampf gegen Antisemitismus gehe alle an.

Gedenken an die Opfer des Anschlags von Halle / © Hendrik Schmidt (dpa)
Gedenken an die Opfer des Anschlags von Halle / © Hendrik Schmidt ( dpa )

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte beim zentralen Gedenkakt am Freitag in der Hallenser Ulrichskirche davor, zur Tagesordnung überzugehen: "Wir müssen zeigen, dass wir keine Form von Antisemitismus, ob alten oder neuen, linken oder rechten, tolerieren - mehr noch, dass wir ihn aktiv bekämpfen. Dieser Kampf geht uns alle an." Antisemitismus sei ein "Seismograph" für den Zustand der Demokratie. Er selbst empfinde ein Jahr nach der Tat weiterhin Scham und Zorn. In Halle sei ein Alptraum wahr geworden, "ausgerechnet in Deutschland", sagte Steinmeier. Er verwies auf die steigende Zahl judenfeindlicher Straftaten, nannte die Liste der Angriffe eine "Liste der Schande". Es erfülle ihn mit Scham und Zorn, dass es nötig sei, jüdische Gotteshäuser zu schützen und dass es für jüdische Kinder Alltag sei, schwer bewachte Kindergärten und Schulen zu besuchen.

Schuster: "Deutschland ist unser Zuhause"

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, rief zum Einsatz für Menschenwürde und Zusammenhalt auf: "Das schulden wir den Opfern dieses Anschlags." Das "krude Menschenbild" des 28-jährigen Angeklagten trete im laufenden Gerichtsverfahren immer deutlicher zutage. "Mich beeindruckt tief die menschliche Größe der Zeugen im Prozess", so Schuster. "Deutschland ist unser Zuhause und dieses Zuhause lassen wir uns nicht nehmen."

Gedenkminute in Halle am Mittag

Am Freitagmittag stand das öffentliche Leben in der Stadt für mehrere Minuten still, parallel läuteten alle Kirchenglocken der Stadt.
Hunderte Menschen versammelten sich auf dem Marktplatz. Sie gedachten des Terrorakts vom 9. Oktober 2019, als am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, ein schwer bewaffneter Attentäter versucht hatte, unter über 50 Menschen in der Synagoge ein Blutbad anzurichten. Als ihm das misslang, tötete er eine 40jährige Passantin und erschoss in einem Döner-Imbiss einen 20jährigen Gast. Darüber hinaus verletzte er mehrere Menschen.

Hass und Intoleranz sind "tödlich"

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, nannte die Tat einen Angriff auf alle Menschen und die Demokratie. Es gehe nicht nur um Antisemitismus, sondern auch um Hass und Intoleranz - "und die ist wirklich tödlich". Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte, die Tat mache deutlich, dass Antisemitismus und Terror jeden treffen könne - beide Opfer seien keine Juden gewesen. "Sie sind dem Judenhass zum Opfer gefallen, nur weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren."

Der mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer sagte: "Die Wunde ist noch spürbar und nicht verheilt, auch wenn wir rasch wieder zum Tagesgeschäft übergangen sind." Der laufende Prozess um den Anschlag "zeigt uns, wie viel mehr Opfer diese Tat hat". Magdeburgs katholischer Bischof Gerhard Feige erklärte: "Es ist eine menschliche Katastrophe, dass Juden in Deutschland nicht in Frieden leben und Gottesdienst feiern können. Zweifellos hat die Polarisierung in der Gesellschaft auf allen Ebenen zugenommen." Um in einer solchen Atmosphäre menschliches Zusammenleben konstruktiv zu gestalten, brauche man "viel Kraft, Elan und Mut - das geschieht nicht automatisch."

Am Nachmittag wurden im Beisein des Bundespräsidenten an der Synagoge und dem Döner-Imbiss Gedenktafeln enthüllt und Kränze niedergelegt. Im Innenhof der Synagoge wurde zudem ein Mahnmal enthüllt, in das die Holztür mit den Einschusslöchern eingearbeitet wurde, die das gewaltsame Eindringen des Attentäters verhinderte.


Gedenken an die Opfer des Anschlags von Halle / © Jan Woitas (dpa)
Gedenken an die Opfer des Anschlags von Halle / © Jan Woitas ( dpa )
Quelle:
KNA , epd