Jüdisches "Wochenfest" erinnert an die Zehn Gebote vom Sinai

Manifest der Menschenwürde

Ein jüdisches Fest, das verschiedene Namen trägt, ist "Schawuot". Als "Fest der Erstlingsfrüchte", "Wochenfest" oder "Fest der Gesetzgebung" ist das zweite von drei Wallfahrtsfesten - zwischen Pessach und Sukkot - bekannt.

Autor/in:
Christian Feldmann
Klagemauer (epd)
Klagemauer / ( epd )

Schawuot wirkt auf den ersten Blick wie ein ganz normales fröhliches Frühlingsfest: Synagogen, Schulen und Kindergärten, Häuser und Wohnungen sind mit Blumen und Zweigen, buntem Gemüse und Weizenähren geschmückt.

Und der Name des Festes klingt eher langweilig: Das hebräische "Schawuot" heißt schlicht "Wochen". Denn zwischen Pessach, dem Beginn der Gerstenernte, und Schawuot, dem Beginn der Weizenernte, liegen genau sieben Wochen. Wer genauer hinsieht, entdeckt freilich schwergewichtige theologische Inhalte hinter der heiteren Feier.

Ehrwürdiges Wallfahrtsfest

Denn Schawuot ist nicht nur jenes uralte Fest, an dem die ersten Früchte und Weizengarben des Jahres zum Dank im Jerusalemer Tempel geopfert wurden. Es gehört auch zu den ehrwürdigen Wallfahrtsfesten, an denen die Kinder Israels zum Tempel und zu Davids Grab auf dem Berg Zion pilgerten. Seit einiger Zeit versucht man diese Tradition wiederzubeleben: Bei Sonnenaufgang ziehen Hunderte Menschen zur Klagemauer, um dort Gottesdienst zu feiern.

Vor allem aber ist Schawuot das Fest der Erinnerung an die Verkündigung der Zehn Gebote. Während der Wüstenwanderung des aus Ägypten geflohenen Volkes Israel soll Mose am Berg Sinai diese Gebote erhalten haben, und seither dürfen sich die Juden tatsächlich – und immer missverständlich – als "auserwähltes Volk" verstehen, als Zeugen Gottes und seines Bundes vor aller Welt.

Die Zehn Gebote, Manifest der Menschenwürde, moralisches Urbewusstsein der Menschheit und kostbarer Schatz ihres kulturellen Gedächtnisses: Zeitlose Markierungen, wie Menschen miteinander, mit der Natur, mit fremdem Leben umgehen sollen, damit nicht das Chaos ausbricht.

Studium der Torah

"Wie aber mit der Handvoll Zeichen notfalls die Worte aller Sprachen der Völker geschrieben werden konnten", notierte Thomas Mann in seinem amerikanischen Exil,  "und wie Jahwe der Gott der Welt war allenthalben, so war auch, was Mose zu schreiben gedachte, das Kurzgefasste, von solcher Art, dass es als Grundweisung und Fels des Menschenanstandes dienen mochte unter den Völkern der Erde – allenthalben."

Es gibt Juden, die verbringen an Schawuot die ganze Nacht damit, die Torah, das Gesetz, in der Synagoge zu studieren. Und dann gilt dieses Fest in der Tradition auch als Todestag des Königs David, dessen legendäres Grab in Jerusalem an Schawuot besucht wird. Schawuot wird in diesem Jahr zwischen dem 28. und 30. Mai gefeiert.


Quelle:
DR