Erleichterung in jüdischer Gemeinschaft wegen Gottesdiensten

"Es ist schon eine Befreiung"

Endlich! Das dürften viele Gläubige gedacht haben, als Gottesdienste wieder zugelassen wurden - wenn auch unter strengen Auflagen. Es gibt zugleich Stimmen, die weiterhin zu Vernunft und Vorsicht mahnen.

Davidstern an der Außenfassade der Synagoge Beith-Schalom in Speyer / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Davidstern an der Außenfassade der Synagoge Beith-Schalom in Speyer / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Der Berliner Rabbiner Andreas Nachama ist erleichtert: "Es ist schon eine Befreiung." Gemeint ist, dass von diesem Montag an in der Hauptstadt wieder Gottesdienste gefeiert werden dürfen - unter Auflagen, versteht sich. Bis zu 50 Menschen dürfen in Synagogen dabei sein; wegen der Corona-Pandemie gelten strenge Hygiene- und Abstandsvorschriften. "Das ist ein Fortschritt", betont Nachama.

Der Rabbiner der Synagogengemeinde Berlin Sukkat Schalom, in der die Gottesdienste im reform-egalitären Ritus gefeiert werden, hatte in den vergangenen Wochen durchblicken lassen, dass er die Lage nach dem Verbot von Gottesdiensten als sehr schwierig empfinde. Er sprach in der "Jüdischen Allgemeinen" von einer "ganz kritischen Situation".

"Die Menschen brauchen Halt und Trost durch ihre Religion"

Zumal in die Zeit der Gottesdienstverbote wegen des Coronavirus auch das hohe jüdische Pessachfest fiel. Zwar stellte auch Nachama hier und da zuvor aufgezeichnete Schabbatgebete auf der Internetseite der Gemeinde zur Verfügung. Gestreamten Gottesdiensten, die manche Rabbiner in Deutschland anboten, stand er jedoch skeptisch gegenüber.

Am Donnerstag verständigten sich nun Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten darauf, unter strengen Auflagen wieder offiziell Gottesdienste und Gebetsversammlungen zuzulassen. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht damit die "grundgesetzlich verbriefte Religionsfreiheit ein Stück weit wiederhergestellt".

Es sei für die jüdische Gemeinschaft "immens wichtig", gemeinsam in der Synagoge wieder Gottesdienste abhalten zu können - auch unter Auflagen. "Gerade in der jetzigen Situation brauchen die Menschen Halt und Trost durch ihre Religion", erklärte Schuster. Darüber hinaus werde es weiter Online-Angebote für Menschen geben, die nicht an Gottesdiensten teilnehmen könnten.

Wie es die Synagogen, Kirchen und Moscheen in Deutschland künftig konkret mit Gottesdiensten und Festen halten, dürfte zunächst unterschiedlich sein - denn ausschlaggebend sind die Vorgaben der jeweiligen Bundesländer, die bisher uneinheitlich ausfielen.

"Große Sache, dass wir wieder gemeinsam beten können"

Schon zuvor waren hier und da Gottesdienste erlaubt worden. Zeitlich weit vorne lag Sachsen. Dort waren bereits am 20. April wieder Gottesdienste möglich. Anders als in Berlin aber nur mit höchstens 15 Menschen, jedoch freilich ebenfalls mit gebührendem Abstand zwischen den Teilnehmern und Hygienebestimmungen.

Ein paar Tage später hielt der sächsische Landesrabbiner Zsolt Balla seinen ersten Schabbatgottesdienst in Leipzig - mit 13 Gläubigen, Abstand und ohne Gesang. "Es war sehr berührend für mich", sagt er. "Es ist eine große Sache, dass wir wieder gemeinsam beten können."

Zsolt Balla ist Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland, Andreas Nachama Vorsitzender der liberal orientierten Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland. Sie hatten zusammen mit dem Zentralrat der Juden ein Hygienekonzept entwickelt, das wie die Konzepte der großen Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften auch Vertretern der Bundespolitik vorgelegt worden war.

Abstand, Teilnehmerlisten, Schutzmasken 

So sieht das Konzept der jüdischen Gemeinschaft beispielsweise vor, dass grundsätzlich nur zum Gebet kommen darf, wer vollständig gesund ist. Empfohlen werden Anmeldungen in Gemeinden, Teilnehmerlisten, Schutzmasken und ausreichend Abstand zwischen den Gläubigen. Eine Bar Mizwa zum Beispiel darf begangen werden, eine anschließende Feier nicht. Das gilt auch für gemeinsame Mahlzeiten.

Balla sagt, er erwarte insgesamt "vernünftige Entscheidungen" von staatlicher Seite. "Ich hoffe, dass kein gesellschaftlicher Druck vernünftige Entscheidungen beeinflusst. Ich möchte nicht, dass die Zahl der Erkrankten steigt."

Aus Sicht von Nachama ist für die Hauptstadt mit ihrer großen jüdischen Gemeinde die Zahl von maximal 50 Gläubigen im Abstand von 1,50 Meter zueinander begrüßenswert. Er schätzt, dass in seiner eigenen Gemeinde unter diesen Bedingungen pro Gottesdienst 25 bis 30 Menschen Platz finden. "Insgesamt müssen wir gucken, ob das funktioniert", so Nachama. Diejenigen, die Gottesdienste abhielten, hätten eine spezielle Verantwortung. "Ich bin selber sehr gespannt."

Von Leticia Witte


Quelle:
KNA