Ein besonderer Blick am Tag der Ernährung

Über Regeln und Reiz der koscheren Küche

Am Samstag ist der Tag der gesunden Ernährung. Shmuel Zach führt in Berlin ein koscheres Catering namens "Milo". Im Interview spricht der Israeli über die Regeln des koscheren Kochens und warum die Küche nicht nur von Juden nachgefragt wird.

Traditionelle hausgemachte Hummus, Falkel und Chickpea mit Salat und Pitas / © Yuliia Kononenko (shutterstock)
Traditionelle hausgemachte Hummus, Falkel und Chickpea mit Salat und Pitas / © Yuliia Kononenko ( shutterstock )

KNA: Sie sind mit Ihrem Berliner "Milo" einer der wenigen koscheren Caterer in Deutschland, das heißt, Sie kochen ausschließlich streng nach speziellen jüdischen Speisevorschriften. Wieso gibt es die koschere Küche überhaupt?

Shmuel Zach: Der Ursprung ist biblisch: Im zweiten Buch Mose steht, dass man ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen soll. Daraus hat sich dann etwa die grundsätzliche Trennung von milchig und fleischig entwickelt - ein Rindersteak mit Rahmsauce gibt es in der koscheren Küche also nicht. Ganz streng müssten die entsprechenden Lebensmittel sogar in zwei verschiedenen Küchen gekocht werden, aber es reichen auch zwei verschiedene Kühlschränke und Waschbecken sowie zweierlei Geschirr.

KNA: Aber landet nicht sowieso alles im selben Magen?

Zach: Eben deshalb gilt es auch, beim Essen bestimmte Regeln zu beachten. Wenn man etwa ein Steak gegessen hat, muss man acht Stunden warten, bis man einen Milchkaffee trinken darf. Umgekehrt geht es schneller: Wenn man "milchig" isst, muss man nur eine halbe Stunde warten, bevor man Fleisch essen kann. Aber die Zeiten sind unterschiedlich bei den verschiedenen religiösen Strömen und Herkünften.

KNA: Was darf in der koscheren Küche grundsätzlich nicht gegessen werden?

Zach: Kein Schweinefleisch, keine Meeresfrüchte, kein Wild. Koscher sind grundsätzlich Säugetiere, die gespaltene Hufe haben und gleichzeitig Wiederkäuer sind - also zum Beispiel Kuh, Lamm und Ziege.

KNA: Und Fisch...

Zach: Nicht jeder Fisch. Fisch ist nur koscher, wenn er Schuppen und Flossen hat, Steinbutt und Seeteufel sind also nicht koscher. Aber Fisch darf im Unterschied zum Fleisch mit Milchprodukten serviert werden. Er ist "parve" - neutral.

KNA: Das hört sich kompliziert an ...

Zach (lacht): In der Tat, es sind aber noch lange nicht alle Regeln, insgesamt gibt es sehr viele. Wichtig ist zum Beispiel auch, dass alle Regeln von einem Kaschrut-Bewahrer überwacht werden. Zum Beispiel ist er dafür zuständig, Kräuter und Salate in Salzwasser zu waschen, damit keine Insekten drin bleiben, die gelten auch als "treife", als unrein. Und er untersucht die Eier, die ich in meiner Küche verwende, auf ihre Reinheit. Nur er darf sie öffnen: Wenn Blut darin ist, ist das Ei nicht koscher.

KNA: Warum nicht?

Zach: Nach biblischer Vorstellung ist das Blut der Sitz der Seele, weshalb es grundsätzlich nicht verzehrt werden darf.

KNA: Deshalb werden im Judentum auch die Tiere geschächtet, bevor man sie essen darf?

Zach: Ja, genau. Ich verwende in meiner Küche nur Fleisch von geschächteten Tieren, das heißt, Tieren, die infolge eines Halsschnitts schnell ausgeblutet sind. Da das Schächten in Deutschland verboten ist, beziehe ich das Fleisch meist aus Polen und den Niederlanden. Wichtig ist dabei, dass es ein Kaschrut-Zertifikat hat, das heißt von einem Rabbinat geprüft wurde.

KNA: Ist die koschere Küche gesünder als die nicht-koschere?

Zach: Vielleicht ja, weil sie nicht so fett ist, und Fleisch nicht mit Butter oder Sahne zusammengebracht werden darf. Und weil Rindfleisch gesünder als Schweinefleisch ist. Interessant ist die koschere Küche auch für Vegetarier, Menschen mit Lactose-Intoleranz oder Muslime, die mit ihrer halal-Küche ähnliche, wenn auch nicht ganz so strenge Vorschriften haben. Auf jeden Fall haben koschere Lebensmittel den Ruf, dass sie eine hohe Qualität besitzen, weil der Herstellungsprozess genau verfolgt wird. Entsprechend sind sie auch teurer als nicht-koschere Lebensmittel. In Israel haben zum Beispiel alle 5-Sterne-Hotels eine koschere Küche.

KNA: Was ist ein typisches Menü, das man bei Ihnen bestellen kann?

Zach: Als Vorspeise gegrillte Aubergine auf Tahinicreme, langsam gegarte Poularde auf getrüffelter Maispolenta und als Nachtisch Apfelcrumble mit frischen Beeren.

KNA: Wer bestellt bei Ihnen?

Zach: Gruppen von 10 bis 200 Personen empfangen wir nach Anmeldung in der Synagoge in der Passauer Straße in Berlin, direkt neben dem KaDeWe. Ab fünf Personen beliefern wir auch Privatpersonen, das sind meist Juden, die hier leben, und solche, die als Touristen hierhin kommen. Ich habe aber auch schon einzelne mehrgängige Menüs in die großen Berliner Hotels geliefert, wenn hochrangige Gäste aus Israel dort sind. Auf Anfrage liefern wir auch bis nach Hamburg. Auch Krankenhäuser bestellen manchmal bei mir, wenn etwa laktosefreies Essen sichergestellt werden muss.

KNA: Gibt es bei einem auswärtigen Catering - etwa in ein Hotel - etwas Besonderes zu beachten?

Zach: Ja, wir müssen teilweise auch das Geschirr für die Gäste mitbringen, damit wirklich alles koscher ist. Porzellan kommt von uns, sonst wäre es nicht koscher. Besteck, das ja aus Metall besteht, können wir koscher machen, indem wir es blanchieren, also erst in heißes, dann in kaltes Wasser tauchen. Gläser dürfen vom Hotel genutzt werden.

KNA: Sie leben seit 17 Jahren in Deutschland, sind verheiratet, haben drei Söhne. Kochen Sie zu Hause auch koscher?

Zach: Ja, allerdings nicht nach den ganzen Kaschrut-Regeln. Aber ich trenne milchig und fleischig und verarbeite kein Schweinefleisch.

KNA: Was ist der Sinn hinter den jüdischen Speisevorschriften? Hygiene?

Zach: Eher eine spirituelle Vorstellung: Die Seele soll rein bleiben. Das drückt sich im Judentum auch über das Essen aus. Hinzu kommt die Würdigung des Essens, die Besinnung auf Tradition, auf die jüdische Herkunft. Es soll nicht leicht sein, die jüdischen Regeln zu halten.

KNA: Sind Sie nicht manchmal in Versuchung, es beim Kochen in ihrem Betrieb nicht so genau zu nehmen? Fällt ja vielleicht nicht auf...

Zach: Das wäre nicht fair und komplett unkorrekt. Die Einhaltung der Regeln ist Vertrauenssache, und ich lege sehr viel Wert darauf, dass das Vertrauen zu 100 Prozent vorhanden ist. Ich koche ja für Leute, denen das extrem wichtig ist. Außerdem würde ich sonst bald mein Zertifikat verlieren, das mir der Rabbi ausgestellt hat und jeden Kunden, der bei mir bestellt und dem ich koschere Küche garantierte.

KNA: Ihr Großvater kam auch aus Berlin ...

Zach: Ja, er hieß genauso wie ich und war ein Berliner. Er floh vor den Nazis 1932 nach Israel. Dort eröffnete er das Berliner "Cafe Alaska" in Jerusalem. Leider starb er kurz vor der Gründung des Staates Israel durch einen Terroranschlag, mit nur 38 Jahren. Um an ihn zu erinnern, habe ich 80 Jahre später meinen Catering-Service "Milo" genannt: Das ist eine Abkürzung für Shmuel (Samuel) - ein Spitzname.

Das Interview führte Nina Schmedding.


Quelle:
KNA