Fazit der ersten Fachtagung zwischen Rabbinern und Bischöfen

Ein langer Weg zwischen Jerusalem und Rom

Es ist ein Novum. Erstmals haben sich Rabbiner, deutsche Bischöfe und Experten in einer Fachtagung zusammengesetzt. Auch wenn sich das Verhältnis inzwischen entspannt hat, gibt es noch Hürden, sagt Thomas Frings. Er war für das Erzbistum Köln dabei.

Rabbiner in einer Jüdischen Synagoge / © Axel Heimken (dpa)
Rabbiner in einer Jüdischen Synagoge / © Axel Heimken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Das Verhältnis von Juden und Christen ist zurzeit sehr entspannt. Das war nicht immer so. Früher haben sich die Religionen viel stärker in Konkurrenz gesehen. Das Christentum sah sich auch als überlegene Religion an...

Thomas Frings (Referent für interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln): Genau das ist die Lage, die wir im Grunde die gesamte Kirchengeschichte hatten. Das änderte sich erst nach 1965 mit der Erklärung "Nostra Aetate". Mit dieser Erklärung wurde erstmals eine grundlegend wertschätzende Haltung an den Tag gelegt. Wir schauen im Grunde ehrfurchtsvoll auf unsere älteren Geschwister im Glauben, die mit uns die große Tradition teilen.

DOMRADIO.DE: Juden-Mission ist eein Stichwort, das in der Vergangenheit für viel Unruhe und auch einen Antijudaismus in der katholischen Kirche gesorgt hat. Juden können das Heil nur durch die christliche Taufe erlangen. Das war lange die Lehrmeinung der katholischen Kirche. Inwiefern hat sich diese Meinung geändert?

Frings: Diese Position wurde auch im Zweiten Vatikanischen Konzil fortgeschrieben oder weiterentwickelt. Ausdrücklich finden wir eine Absage an eine institutionelle Juden-Mission in einem Dokument aus dem Jahr 2015, das die vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum veröffentlicht hat. Dort wird ausdrücklich genannt, dass es keine institutionelle Juden-Mission mehr geben kann. Und spannenderweise ist das auch der zentrale Punkt, der in den jüdischen Erklärungen, die jetzt zum Konzilsjubiläum veröffentlicht wurden, sehr anerkennend aufgenommen und benannt wird.

DOMRADIO.DE: Wie ist das Verhältnis der Religionen jetzt? Kann man da von einem Paradigmenwechsel sprechen, das heißt, von einem grundlegend anderen Verhältnis zueinander, besonders nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil?

Frings: Es hat eine ganze Weile gebraucht, bis das Anerkennung gefunden hat. Unter anderem berichtete ein Rabbiner auf dieser Fachtagung, dass er gefragt wurde, warum es so lange mit einer schriftlichen Reaktion gedauert habe. Er antwortete darauf, dass man zuerst einmal prüfen musste, ob das ernst gemeint war, was da gesagt wurde. Man habe so viele Jahrhunderte bitterste Judenverfolgung auch im Namen der Kirche gehabt, dass man erst einmal schauen müsse, wie ernst es ist. Ich kann heute hier sagen: Uns ist es verdammt ernst.

DOMRADIO.DE: Sie waren bei dieser gemeinsamen Fachtagung in Berlin mit dabei. Wie haben Sie das Miteinander empfunden?

Frings: Zunächst einmal war es etwas ganz Besonderes, dass es eine solche Fachtagung überhaupt gibt. Es war das erste Mal, dass so etwas stattgefunden hat. Es war ein gutes Miteinander. Es brauchte natürlich einen gewissen Anlauf, bis man miteinander warm geworden ist. Aber es war eine gute Gesprächskultur und eine gute Diskussionskultur. Ich glaube, wir haben alle sehr viel von den anderen Teilnehmern gelernt und sehr viel mitgenommen. Es wurde auch die Perspektive aufgezogen, wie es in der Zukunft weitergehen kann und dass es auch weiter solche Austausch-Foren auf dieser Ebene brauchen wird.

DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, es brauchte ein kleines bisschen Anlauf in Berlin. Wie haben Sie dann da mögliche Hürden noch überwunden?

Frings: Vor allem, indem wir offen und ehrlich Fragen gestellt haben. Wenn Begriffe gefallen sind, die für den anderen nicht eindeutig sind, dann wurden Fragen gestellt: Was meint ihr damit? Verstehen wir euch richtig? Dafür einfach ein theologisches Forum zu bieten, das wird auch in Zukunft eine große Aufgabe sein. Denn wir verstehen uns nicht einfach so.

DOMRADIO.DE: Der Anschlag auf die Synagoge in Halle vor ein paar Wochen hat die Gesellschaft noch einmal auf schreckliche Art wachgerüttelt. Welche Position hat die katholische Kirche da eingenommen?

Frings: Ich beziehe mich da nochmal auf das Zweite Vatikanische Konzil. Das hat der katholischen Kirche gewissermaßen ins Stammbuch geschrieben, dass wir jegliche Diskriminierung eines Menschen und auch jede Gewalttat verwerfen, und zwar unabhängig, ob es um Rasse, Hautfarbe oder Religion geht. Weil dies, so wörtlich "dem Geist Christi widerspricht". Wir haben als Kirche die zentrale Aufgabe, eine menschenfreundliche Grundhaltung in der Gesellschaft zu etablieren und zu befördern. Das können wir nur tun, wenn wir sie selbst genauso vorleben.

DOMRADIO.DE: Das heißt, es passiert wirklich viel Gutes. Aber es gibt auch einige Herausforderungen für den christlich-jüdischen Dialog in der Zukunft. Wie sehen diese Herausforderungen aus?

Frings: Gerade nach solch schrecklichen Geschehnissen wie in Halle ist zum einen die Gesellschaft gefragt, wie ernst sie es mit der Antisemitismus-Bekämpfung meint und mit einer wirklich durchgehenden gelebten Religionsfreiheit, wo niemand verfolgt werden muss. Zum anderen aber müssen wir auch als katholische Kirche uns immer wieder fragen: Stehen wir laut genug an der Seite unserer jüdischen Geschwister? Das ist immer wieder auch eine Frage aus den jüdischen Gemeinden: Warum geht kein großer Aufschrei durch die Kirche?

Das Interview führte Carsten Döpp.


Thomas Frings (Erzbistum Köln)
Quelle:
DR