Jom Kippur - Höchstes jüdisches Fest und Versöhnungstag

Zwischenmenschliche Verfehlungen ins Reine bringen

An Jom Kippur zu fasten und zu ruhen, ist nach Rabbiner-Ansicht auch hierzulande möglich. Mitunter gibt es aber handfeste Probleme bei der Einhaltung von Feiertagsregeln - und damit verbundene schwierige Entscheidungen.

Autor/in:
Leticia Witte
Jom Kippur in Jerusalem / © Sebi Berens (KNA)
Jom Kippur in Jerusalem / © Sebi Berens ( KNA )

Es ist der höchste Feiertag im Judentum: Jom Kippur. Der Versöhnungstag gilt in Israel als strenger Fast- und Ruhetag. Auch anderswo versuchen viele Juden, das Fest in diesem Sinne zu begehen.

Was in Deutschland ganz gut gelingt, wie der Frankfurter Rabbiner Avichai Apel sagt. Dennoch: Probleme gebe es mitunter an Hochschulen, beklagt das Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands. Schon in der Vergangenheit war aus jüdischen Kreisen immer wieder Kritik daran laut geworden, dass hin und wieder wichtige Prüfungen auf hohe Feiertage fielen: Gläubige Studenten könnten dann das Schreibverbot an Jom Kippur nicht einhalten.

Dilemma eines Medizinstudenten aus Bayern

So berichtete die "Jüdische Allgemeine" vor einiger Zeit über das Dilemma eines Medizinstudenten aus Bayern und zitierte ihn mit den Worten: "Eigentlich wäre ich im kommenden Sommersemester fertig mit allem. Die Praktika hätte ich hinter mir und damit auch sämtliche Voraussetzungen für die Teilnahme am Zweiten Staatsexamen erfüllt." Diese Prüfungen fielen seinen Angaben zufolge jedoch auf die Zeit rund um Jom Kippur, das in diesem Jahr am Abend des 8. Oktober beginnt und am 9. Oktober endet.

Wenn er diese Prüfungen aus religiöser Überzeugung heraus verpassen und auf das nächstmögliche Datum im Frühjahr nächsten Jahres legen würde, stünde ihm wiederum das Pessach-Fest entgegen, so der Student. Er wandte sich an den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. Für ihn war es nicht das erste Mal, dass er sich mit solchen Fragen beschäftigte.

Rücksicht auf andere Religionsgemeinschaften

"Vor mehr als zehn Jahren bereits sind uns erste Fälle bekannt geworden, bei denen es um Prüfungen ging, die an Schabbat stattfanden", sagte Schuster der "Jüdischen Allgemeinen". Der Zentralrat sei seitdem wegen des Themas "in intensivem Kontakt mit den zuständigen Behörden auf Bundes- und auf Landesebene". Mit mäßigem Erfolg, so Schuster: Auch wenn die Verantwortlichen die Bedeutung der Religionsfreiheit betonten, seien bisherige Reaktionen insbesondere mit Blick auf Staatsexamen "wenig überzeugend" gewesen.

Die Zeitung zitiert das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), das Organisationsfragen ins Feld führt. Und zugleich Verständnis äußert. Bei den Planungen würden bundes- und landesweite Feiertage berücksichtigt. "Dennoch versuchen wir, Rücksicht auf andere Religionsgemeinschaften zu nehmen, wenn es denn geht", hieß es.

Prüfungen an Feiertagen

Auch Rabbiner Apel berichtet von Fällen, in denen er von Studenten gebeten worden sei, einer Hochschule zu schreiben. Mal ließen sie sich trotz des Feiertags prüfen, mal gäben sie dem Feiertag den Vorzug, in Einzelfällen entschlössen sie sich auch zu drastischen Schritten - und zögen nach Israel, so Apel. Die Widerstände, mit denen hin und wieder auch Arbeitnehmer in Betrieben zu kämpfen hätten, seien "das Traurige" an Jom Kippur. "Der Mensch steckt dann in einem religiösen Konflikt, der nicht nötig ist."

Apel sagt, das wäre so, als ob Prüfungen zu Weihnachten und Ostern angesetzt würden. Oder Arbeitgeber sich weigerten, Mitarbeitern an diesen Tagen frei zu geben. Apel betont zugleich: "Wir versuchen nicht, die Gesellschaft wegen Jom Kippur zu verändern." Es gehe lediglich um Verständnis und die Möglichkeit, Prüfungen ohne Nachteile nachzuholen. In der Schweiz und in Großbritannien sei man da schon weiter.

Israel zu Jom Kippur

In Israel kommt an Jom Kippur das öffentliche Leben zum Erliegen: Es gibt keine Radio- und Fernsehprogramme, der Flughafen ist geschlossen. Der Thora zufolge sind Essen und Trinken, sexuelle Kontakte, Körperpflege und Luxusgegenstände verboten. Man kleidet sich weiß. Der höchste Feiertag wird von der Mehrheit der Juden, auch der nicht-praktizierenden, eingehalten.

Juden sei es auch in Deutschland insgesamt möglich, zu fasten und Ruhe zu üben, betont Apel. Er freue sich immer, wenn er von Nichtjuden zu Jom Kippur gegrüßt werde. Um zum Versöhnungstag eine Vergebung von Sünden zu erhalten, müssen davor zwischenmenschliche Verfehlungen ins Reine gebracht werden. Gelegenheit dazu geben die zehn vorausgehenden Tage nach dem Neujahrsfest Rosch Haschana.


Quelle:
KNA