"Judensau"-Prozess am Landgericht Dessau

Schwein als Zankapfel

Ein umstrittenes Relief an der evangelischen Stadtkirche in Wittenberg steht an diesem Donnerstag im Fokus einer Gerichtsverhandlung: Es zeigt die sogenannte Judensau.

Darstellung an der Stadtkirche in Wittenberg / © Norbert Neetz (KNA)
Darstellung an der Stadtkirche in Wittenberg / © Norbert Neetz ( KNA )

Ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin hatte im Mai 2018 vor dem Amtsgericht Wittenberg wegen Beleidigung geklagt und die Entfernung des antisemitischen Reliefs gefordert. Die rund 700 Jahre alte Skulptur diffamiere jüdische Mitbürger.

Das Amtsgericht verwies den Fall unter Verweis auf die Höhe des Streitwerts an das Landgericht: Die Entfernung des Reliefs würde 10.000 Euro kosten. Das Urteil wird am Donnerstag noch nicht erwartet.

Rabbiner schaut Schwein in den After

Auf dem Sandsteinrelief an der Predigtkirche Martin Luthers (1483-1546) ist ein Rabbiner zu sehen, der den Ringelschwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After schaut. Weitere Figuren strecken sich nach den Zitzen des Tieres. Das Schwein gilt den Juden als unrein.

Hinzu kommt die 1570 eingelassene Inschrift "Rabini-Schem HaMphoras". Diese ist vermutlich inspiriert von Luthers antijüdischer Schrift "Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi" von 1543.

Schem Ha Mphoras steht für den im Judentum unaussprechlichen heiligen Namen Gottes. Unterhalb der Darstellung erinnert ein im Boden eingelassenes Mahnmal seit 1988 Besucher an die unselige Tradition des Antisemitismus.

Antisemitische Skulptur gut sichtbar

Geschichte lasse sich nicht einfach entsorgen und Unrecht nicht zudecken, argumentierte die evangelische Stadtkirchengemeinde in einer Stellungnahme gegen die Entfernung der Skulptur und bezeichnete sie als "Schandmal".

Der Rechtsanwalt des Berliner Klägers, Hubertus Benecke, hält dagegen: Die Inschrift des Denkmals sei "verschwurbelt" und die Aufarbeitung durch die Kirchengemeinde somit "ungenügend", so Benecke. Sein Kläger erwarte die Entfernung des Reliefs aus dem öffentlichen Raum und die "ordentliche Aufarbeitung" in einem Museum.

Hinzu komme, dass durch die Renovierung der Stadtkirche die antisemitische Skulptur gut sichtbar sei - im Gegensatz zu ähnlichen Werken an anderen Kirchen, die kaum noch erkennbar seien.

Verbreitete Schmähung des Judentums

Das Bildmotiv "Judensau" gehört seit dem Mittelalter zu den verbreitetsten Schmähungen des Judentums. Bis heute finden sich entsprechende Darstellungen an rund 30 evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland, so an dem 700 Jahre alten Chorgestühl des Kölner Doms und an einem Säulenkapitell im Kreuzgang des Doms in Brandenburg an der Havel.


Quelle:
KNA