Streit um Vergabe von Friedenspreis an jüdischen Verein

Stiftung hält trotz Antisemitismusvorwurf an Preisträger fest

Die Jury des Göttinger Friedenspreises bleibt dabei: Die Auszeichnung soll an den Verein "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" gehen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland übt dagegen heftige Kritik an der Entscheidung.

Diskussion um Göttinger Friedenspreis / © Michael Kappeler (dpa)
Diskussion um Göttinger Friedenspreis / © Michael Kappeler ( dpa )

Die Jury des Göttinger Friedenspreises hält ungeachtet von Antisemitismus-Vorwürfen gegen den diesjährigen Preisträger an der Auszeichnung des Vereins "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" fest. Die Preisverleihung erfolge wie geplant am 9. März in einer öffentlichen Feier, sagte der Jury-Vorsitzende Andreas Zumach am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Ausweislich der Satzung der Stiftung Dr. Roland Röhl, die den Friedenspreis seit 1999 vergibt, sei die Jury allein verantwortlich für die Entscheidung über den jährlichen Preisträger, betonte Zumach. Die Entscheidung der Jury sei "unanfechtbar". Die Mitglieder von Vorstand, Kuratorium, Beirat oder Organisationskomitee der Stiftung seien nicht für die Auswahl des Preisträgers verantwortlich: "Alle Versuche, sie oder andere Personen zu einer Revision der Jury-Entscheidung zu bewegen, sind daher zwecklos."

Stoßrichtung "unzweifelhaft antisemitisch"

Zumach reagierte damit auf Kritik des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie von FDP-Politikern an der Preisvergabe an die "Jüdische Stimme". Aus Sicht des Zentralrats-Präsidenten Josef Schuster ist der Verein "ein aktiver Unterstützer von Veranstaltungen der gegen Israel gerichteten Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen)". Die BDS-Kampagne rufe zum Boykott israelischer Künstler, Wissenschaftler oder Unternehmer auf.

"Sie ist damit keine Bewegung, deren Kritik sich an der Politik der israelischen Regierung entzündet", heißt es in einem Schreiben Schusters an Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD). Die Boykotte richteten sich vielmehr gegen alle in Israel lebenden Menschen. Die Stoßrichtung der BDS-Bewegung sei "unzweifelhaft antisemitisch".

"Entschlossenes Vorgehen gegen Antisemitismus"

Er erwarte von einem "Oberbürgermeister einer mittelgroßen deutschen Stadt ein entschlossenes Vorgehen gegen jeden Antisemitismus", schreibt Schuster. Köhler solle sich von der Preisverleihung an den Verein distanzieren und dafür Sorge tragen, dass die Entscheidung revidiert werde. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle und die Vorsitzende der FDP-Stadtratfraktion, Felicitas Oldenburg, forderten die Stadt und die Universität Göttingen ebenfalls auf, von der Preisverleihung abzusehen.

Köhler empfahl daraufhin, die Preisverleihung zunächst auszusetzen. Es sei aus seiner Sicht erforderlich, den Antisemitismusvorwurf gegen den Preisträger "vor allem in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der BDS-Bewegung, eindeutig auszuräumen oder anderenfalls von der Preisverleihung abzusehen´", heißt es in einem Brief Köhlers vom Donnerstag an die Stiftung Dr. Roland Röhl. Köhler ist als Repräsentant der Stadt Mitglied im Kuratorium der Stiftung.

"Keine Position der Jury zu BDS"

Zumach verwies darauf, dass die "Jüdische Stimme" für ihr Engagement geehrt werde, eine gerechte Friedenslösung zwischen zwei souveränen Nachbarstaaten anstreben und erreichen zu können. Der Verein wolle darauf hinwirken, dass sich die Bundesregierung für einen Staat Palästina auf integriertem Hoheitsgebiet und innerhalb sicherer Grenzen einsetze. Dass die "Jüdische Stimme" die BDS-Kampagne unterstütze, habe für die Entscheidung der Jury keine Rolle gespielt.

"Es gab auch keine Diskussion in der Jury über BDS und gibt daher bislang auch keine Position der Jury zu BDS", fügte Zumach hinzu. Er selbst halte die weit verbreitete pauschale Behauptung "BDS ist antisemitisch" für falsch. Für diese Behauptung liege bis heute kein belastbarer wissenschaftlicher Beweis vor. Der Publizist Zumach erhielt für sein friedenspolitisches Engagement 2009 selbst den Göttinger Friedenspreis.


Quelle:
epd