Zentralrat der Juden wendet sich gegen Hetzer

"Sie sind geistige Brandstifter"

Politik und Gesellschaft haben an diesem Freitag in der Berliner Synagoge Rykestraße an die jüdischen Opfer der Reichspogromnacht von 1938 erinnert. Deutliche Worte fand Zentralratspräsident Schuster.

Zentrale Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der "Pogromnacht" / © Michael Kappeler (dpa)
Zentrale Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der "Pogromnacht" / © Michael Kappeler ( dpa )

Sie stünden heute hinter den Menschen, die Juden, Muslime oder Flüchtlinge angriffen, sagte Schuster vor zahlreichen Politikern und Religionsvertretern in der Synagoge an der Berliner Rykestraße. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Pogrome als "wichtige Wegmarke zum Zivilisationsbruch der Schoah". Sie rief dazu auf, aus der Geschichte zu lernen und wandte sich gegen einen "besorgniserregender Antisemitismus", der jüdisches Leben bedrohe.

Schuster: Rassistische Kräfte dürfen nicht an Boden gewinnen

Schuster sagte, er habe den Eindruck, dass die Zahl der "geistigen Brandstifter" wachse. "Sie schüren Ängste vor Flüchtlingen. Sie stacheln mit ihrer Wortwahl und überproportionaler Aufmerksamkeit für einzelne Vorfälle die Bürger an. Sie hetzen gegen Asylbewerber, insbesondere gegen Muslime." Diese Hetze habe eine "Partei, die im Bundestag am ganz äußeren rechten Rand sitzt", perfektioniert. "Sie sind geistige Brandstifter."

Sie hätten vor nichts Respekt, sagte Schuster, ohne die AfD zu nennen. "Sie instrumentalisieren die mutigen Widerstandkämpfer der Weißen Rose für ihre Zwecke. Sie verhöhnen die Opfer und Überlebenden der Schoah, indem sie die NS-Verbrechen relativieren." Die Fraktion sei als einzige zu der Feierstunde nicht eingeladen worden. "Diese Kräfte dürfen nicht noch mehr an Boden gewinnen."

Für Antisemitismus und Rassismus dürfe es kein Verständnis geben, sagte Schuster. "Hier muss eine klare Grenze gesetzt werden." Ein Grundkonsens werde derzeit "von rechts außen in Frage gestellt".

Merkel: "Entschlossen und konsequent" gegen Rassismus vorgehen

Die Bundeskanzlerin betonte, dass die Novemberpogrome vor 80 Jahren eine Vorgeschichte hätten. Sie verwies auf zunehmenden Antisemitismus in den 1920er und 30er Jahren sowie das Wegschauen und Schweigen "eines großen Teils der deutschen Bevölkerung". Der Blick auf die Zeit vor dem 9. November 1938 sei wichtig, weil man daraus Lehren für die Gegenwart ziehen könne.

"Es gibt in Deutschland wieder blühendes jüdisches Leben", sagte Merkel. Zugleich sei ein "besorgniserregender Antisemitismus" zu beobachten. Merkel verwies auf Artikel eins des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. "Das muss unbedingt die Richtschnur unseres Handelns sein." Der Staat müsse "entschlossen und konsequent" gegen Rassismus und Ausgrenzung vorgehen. Zugleich betonte Merkel auch, dass jeder, der hier lebe, sich zu den Werten des Grundgesetztes bekennen müsse.

Der Erinnerungsarbeit komme eine "grundsätzliche Bedeutung" zu. Auf dieser Basis könne die Zukunft gestaltet werden, sagte die Kanzlerin. Sie räumte ein, dass manche Menschen sich zurückgelassen fühlten angesichts von Globalisierung und Digitalisierung. Da sei die Gefahr groß, dass diejenigen Zulauf bekämen, die mit vermeintlich einfachen Antworten auf Herausforderungen reagierten. "Das ist der Anfang, dem wir ganz entschieden entgegentreten müssen."


Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden / © Michael Kappeler (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden / © Michael Kappeler ( dpa )

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der zentralen Gedenkveranstaltung vom Zentralrat der Juden / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der zentralen Gedenkveranstaltung vom Zentralrat der Juden / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
KNA , epd
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