Neues Portal zu jüdischem Leben in Deutschland

"Jewish Places"

Gab es in meiner Stadt eine Synagoge? Und wo finde ich ein jüdisches Museum? Solche Fragen will ein neues Internetportal zu jüdischem Leben in Deutschland beantworten – gestern und heute. Mitmachen kann man auch.

Autor/in:
Leticia Witte
 (DR)

Synagogen, Sportvereine oder Cafes: Auf einer digitalen Landkarte mit dem Titel "Jewish Places" sind von diesem Donnerstag an Informationen zu jüdischem Leben in Deutschland abrufbar. Wer zum Beispiel wissen möchte, ob es in seiner Stadt eine Synagoge oder andere jüdische Einrichtungen gibt oder gab, wird möglicherweise über ein paar Klicks fündig.

Darüber hinaus gibt es eine Suchfunktion für ausgewählte Biografien von Personen sowie virtuelle Spaziergänge zu Friedhöfen, Museen, Kunstprojekten und anderen Orten. Die Karte ist interaktiv angelegt: Wer Informationen zur Lokalgeschichte hinzufügen möchte, kann entsprechendes Material - Texte oder Bilder - hochladen.

Mehr als 8.500 aktuelle und historische Daten

Nutzer können Orte jüdischen Lebens aus fünf Jahrhunderten sehen, wie das Jüdische Museum Berlin ankündigt. Aber eben auch zeitgenössische Informationen. Außer Synagogen und jüdischen Friedhöfen können Anwender Vereine, Lokalitäten und Familienunternehmen entdecken.

Kippa

Die Kippa ist eine kleine kreisförmige Kopfbedeckung. Männliche Juden tragen sie beim Gebet, an Gebetsorten wie Synagogen oder jüdischen Friedhöfen, teils auch im Alltag. Weder aus der Bibel, noch aus den jüdischen Gesetzbüchern ergibt sich ein Gebot für Männer, den Kopf beim Beten zu bedecken.

Die Kippa verbreitete sich seit dem 16. Jahrhundert und soll signalisieren, dass ihr Träger sich an die Gegenwart Gottes erinnert. Üblich ist sie in Synagogen ab dem dritten Geburtstag eines Jungen.

Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine ( shutterstock )

Nach Museumsangaben vereint die Karte mehr als 8.500 aktuelle und historische Daten. "Mit 'Jewish Places' ist erstmals ein Portal entstanden, das einer breiten Öffentlichkeit umfangreiche Informationen zu jüdischem Leben in Deutschland anhand von Orten, Einrichtungen und Biografien zugängig macht," heißt es.

Die Programmdirektorin des Jüdischen Museums, Leontine Meijer-van Mensch, betont: "Mit der Visualisierung von Lokalgeschichte sensibilisieren wir für die gemeinsame Vergangenheit und Gegenwart." Mit im Boot sind mehrere weitere Organisationen, zum Beispiel das Bundesarchiv, das Jüdische Museum der Stadt Frankfurt/Main, das Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien sowie das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland an der Universität Heidelberg und der Zentralrat der Juden.

Zielgruppenorientiert abrufbar

Im Internet gibt es zwar jede Menge Informationen und Seiten zu jüdischem Leben, wie Projektleiterin Barbara Thiele sagt. Nun seien mit "Jewish Places" zahlreiche Informationen und Forschungsinhalte gebündelt und "zielgruppenorientierter" abrufbar - künftig auf der Seite www.jewish-places.de. Das Portal richtet sich den Angaben zufolge auch an Schüler und Lehrer und hat auch eine Rubrik zu den Erinnerungszeichen Stolpersteinen.

Bedenken wegen unseriöser Beiträge, die Nutzer möglicherweise auf die Seite laden könnten, treiben Thiele offenbar nicht um. Erfahrungen zeigten, dass das meist nicht der Fall sei. Außerdem: "Man kann eine Löschung beantragen."

Internationale Vorbilder und Orientierungspunkte für "Jewish Places" gebe es durchaus, sagt die Projektleiterin. Sie verweist etwa auf das polnische Projekt "Virtual Shtetl" des Museums der Geschichte der polnischen Juden (POLIN) in Warschau. "Das ist ein großes Vorbild." Auch diese Internetseite bietet etwa eine Landkarte und ausgewählte Biografien von Juden an. Hinzu kommt eine Rubrik "Oral History", also von Zeitzeugen überlieferte Berichte.

Diskurs über Diversität und Toleranz

"Heute sind in Deutschland Orte jüdischen Lebens vielfach nicht mehr so zu erkennen", erklärt Thiele. "Mit 'Jewish Places' wollen wir sie der Öffentlichkeit frei zugänglich machen. Und wir wollen in den Diskurs über Diversität und Toleranz eingreifen." Am Mittwoch wird das Projekt zunächst vorgestellt, am Donnerstag dann freigeschaltet.

Dazu haben sich die Verantwortlichen einen besonderen Zeitpunkt ausgesucht: gleich zu Beginn des neuen jüdischen Jahres 5779.

Quelle:
KNA