Knobloch: Angriff auf Juden ist Kampfansage an Demokratie

"Es ist höchste Zeit"

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, zeigt sich besorgt über rechtsextreme und antisemitische Angriffe. Auch Vertreter aus Kirche und Politik melden sich zu Wort.

Kundgebung gegen Antisemitismus  / © Maja Hitij (dpa)
Kundgebung gegen Antisemitismus / © Maja Hitij ( dpa )

Die Attacke auf ein jüdisches Restaurant in Chemnitz darf nach den Worten der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, nicht isoliert betrachtet werden. "Ein Angriff auf Juden ist niemals nur ein Angriff auf Juden. Er ist eine Kampfansage an die offene Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie, die unser Land ausmacht, und er muss als solcher von der offenen Gesellschaft zurückgewiesen werden", erklärte Knobloch am Sonntag in München.

"Gewalttätige Gruppen, die durch die Straßen marodieren und Menschen terrorisieren, die sie für minderwertig halten, darf ein Rechtsstaat, der sich ernst nimmt, nicht hinnehmen", so Knobloch. Die rechten Demonstrationen in Chemnitz seien bereits ein Warnsignal für den Rechtsstaat und ein Auftrag an die Politik gewesen, den Gefahren entgegenzutreten, die das demokratische Gemeinwesen bedrohten. "Dass es im Rahmen dieser Vorkommnisse nun auch zu Gewalt gegenüber dem Lokal 'Schalom' und seinem Besitzer gekommen ist, ist schockierend und unterstreicht die Dringlichkeit eines entschlossenen Vorgehens gegen antidemokratische Kräfte."

Knobloch forderte ein kompromissloses Vorgehen gegen Rechtsextreme und ihre parlamentarischen Verbündeten: "Die Machtdemonstrationen der Rechtsradikalen auf der Straße sind ein Problem. Dass aber gewählte Abgeordnete in Bund und Ländern sie verharmlosen und damit letztlich verteidigen, ist noch wesentlich schlimmer und macht mir Angst. Es ist höchste Zeit, dass die AfD mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wirksam bekämpft wird."

"Dialogverweigerung und politische Einäugigkeit"

In der Politik gibt es nach den Worten des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick eine "erschreckende Entwicklung": dass "in unseren Parlamenten das Niederbrüllen und Verächtliche-Parolen-von-sich-Geben, wenn einer am Pult redet, häufiger und stärker geworden ist". Das sagte Schick am Sonntag im oberfränkischen Litzendorf, wie seine Erzdiözese auf ihrer Internetseite mitteilte. Politik, so Schick, sei die Suche von verschiedenen Parteien und unterschiedlichen Positionen nach guten Entscheidungen für das Gemeinwohl. Das dürfe nicht aus dem Blick geraten.

"Was wir in Chemnitz, Dresden, Hamburg und anderswo erleben, sind Folgen von Dialogverweigerung und politischer Einäugigkeit. Es zeigt, dass wir das Aufeinander-Hören und das wohlwollende Hinschauen verlernt haben", ergänzte Schick. Zuhören und Hinsehen seien Voraussetzungen für ein gelingendes Miteinander und das Gemeinwohl. Die Kirche müsse da Vorbild sein. "Wer nicht auf Gott hört und zu Gott und allem, was er geschaffen hat, aufschaut, der hört auch nicht den Menschen zu und sieht nicht aufmerksam, was den Mitmenschen und der Gesellschaft Not tut."

Auf einzelne Individuen zugehen

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat Demokraten aufgefordert, sich strikt von rechtsextremen Gruppen wie sie in Chemnitz aufgetreten sind, abzugrenzen. Ein Dialog mit solchen Gruppen sei unmöglich, denn sie wollten Sieg und Meinungsherrschaft, ohne überzeugen zu wollen, sagte Gauck am Sonntag in Kaiserslautern. Gauck sprach auf dem Festakt der Evangelischen Kirche der Pfalz zum 200. Jahrestag der Pfälzer Kirchenunion.

In eine Gruppe berauschter Menschen wie in Chemnitz mit Verständnis, Nachdenklichkeit und Vernunft einzudringen, sei kaum möglich, sagte Gauck. Es gelte vielmehr, die Allgemeinheit zu schützen und den Regelverletzern mit den Mitteln staatlicher Gewalt zu begegnen. Trotzdem müsse das gemeinsame Gespräch über die Gräben in der Gesellschaft hinweg gesucht werden. Selbst bei solchen, die nicht argumentierten, sondern nur ihren Hass auf die Straße trieben, könne es Erfolg haben, auf einzelne Individuen zuzugehen.

Verantwortung übernehmen und die Demokratie schützen

Gauck appellierte an die Gesellschaft, Verantwortung zu übernehmen und die Demokratie zu schützen. In diesen Tagen habe die Überzeugung, dass sich in einer Demokratie letztlich die vernünftige Wahrheit durchsetzen werde, stark gelitten. Bewegungen, einige Politiker und sogar Regierungen pflegten bestenfalls ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit. Sie säten Zweifel selbst an evidenten wissenschaftlichen Erkenntnissen. "Und mit der Zerstörung des Glaubens an eine überprüfbare Wahrheit öffnet sich die Tür zur Verbreitung der Unwahrheit, ja der offenkundigen und beweisbaren Lüge, um die eigenen politischen Ziele durchzusetzen." Das sei das Ende der Meinungsfreiheit.

Der Festakt im Großen Haus des Pfalztheaters Kaiserslautern war Höhepunkt und Abschluss des Festwochenendes, mit dem die Evangelische Kirche der Pfalz ihren 200. Geburtstag feierte. 1818 vereinigten sich in Kaiserslautern die bis dahin getrennten reformierten und lutherischen Gemeinden der Pfalz zu einer gemeinsamen Kirche.


Quelle:
KNA , epd