Solidaritätsaktionen mit Juden in Köln und anderen Städten

"Schickt die Hass-Prediger nach Yad Vashem"

Ein Zeichen gegen Judenhass: In Köln und mehreren deutschen Städten sind am Mittwoch Menschen gegen Antisemitismus auf die Straße gegangen. In Köln solidarisierten sich über 1.000 Kölner mit ihren jüdischen Mitbürgern.

Solidarität in Köln / © Ralf Walter (DR)
Solidarität in Köln / © Ralf Walter ( DR )

In Köln haben sich am Mittwochabend zahlreiche Menschen als Zeichen gegen Antisemitismus und Ausdruck der Solidarität mit jüdischen Gemeinden die traditionelle jüdische Kopfbedeckung Kippa aufgesetzt. Über 1.000 Menschen folgten dem Aufruf zur Kundgebung "Kippa Colonia"  vor dem Kölner Dom. Felix Schotland vom Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln sagte: "Es reicht, dass jüdische Kinder in Schulen gemobbt werden."  Er rief dazu auf, nicht zu schweigen, sondern gemeinsam gegen Ausgrenzung zu kämpfen. Auch dürfe Antisemitismus in Deutschland unter dem Deckmantel von Israelkritik nicht hingenommen werden, mahnte er.

Als Vertreter der katholischen Kirche berichtete der Kölner Stadtdechant Msgr. Robert Kleine von seinem letzten Besuch in Jerusalem und der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem vor wenigen Wochen. Er habe beschämt vor der Darstellung der Gräueltaten der Deutschen gestanden, so Kleine. Gott sei Dank, so der Stadtdechant weiter, würden heute Christen, Juden und Muslime freundschaftlich in Köln zusammenarbeiten, unter anderem im Rat der Religionen. Gleichzeitig räumte Kleine die Schuld der katholischen Kirche in der Geschichte der Judenverfolgungen ein. Er habe sich bei seinem Besuch im Heiligen Land im Frühjahr allerdings nicht vorstellen können, dass er heute in Köln auf einer Solidaritätsveranstaltung gegen Antisemitismus sprechen müsse. Kleine rief unter Beifall der Besucher dazu auf, "alle Antisemiten und Hassprediger in ein Flugzeug" zu stecken und nach Israel zu fliegen, damit sie in Yad Vashem zur Besinnung kommen mögen.

Tragen der Kippa eine Ehre

An der Aktion "Kippa Colonia" mit Unterstützung der Synagogen-Gemeinde Köln beteiligte sich auch der evangelische Stadtsuperintendent Rolf Domning. Das Tragen der Kippa sei für ihn eine Ehre, und er trage sie mit Achtung, sagte Domning. Die Kippa erinnere ihn an die Wurzeln der christlichen Religion im jüdischen Glauben. Gerade darum sei es für ihn nun ein trauriger Anlass, die Kippa zu tragen.

Judenhass sei nicht verschwunden, sondern 80 Jahre nach der Reichspogromnacht mit erschreckender Offenheit auf die deutschen Straßen und Plätze zurückgekehrt, sagte Domning. "Er ist geblieben, und er hat Zuwachs bekommen."  Es erfülle ihn mit Zorn, dass Juden hierzulande Angst haben müssen, sich zu ihrem Jude-Sein zu bekennen. Der evangelische Theologe rief die Menschen dazu auf, nicht wegzuschauen sowie offen und mutig Stellung zu beziehen.

Verschiedenheit als Auftrag

Neben weiteren Rednern aus Stadtverwaltung und der lokalen Parteienlandschaft sprach auch Bekir Alboga, Beauftragter für interreligiösen Dialog des türkisch-islamischen Verbands Ditib. Verschiedenheit sei ein Auftrag, sich zu begegnen und ein Auftrag zu Solidarität, sagte er.

Organisator der Aktion mit Kundgebung war der Schauspieler Gerd Buurmann. "Wer Juden angreift und anfeindet, greift nicht nur unsere jüdischen Nachbarn und Freunde an, er greift uns an" , hatte er in seinem Aufruf erklärt. "Wenn Menschen in Deutschland angegriffen werden, weil sie Kippa tragen, dann tragen wir alle Kippa."

2.500 solidarische Bürger in Berlin

In Berlin folgten rund 2.500 Menschen dem Aufruf der Jüdischen Gemeinde "Berlin trägt Kippa". In Erfurt zogen rund 300 Menschen von der Krämerbrücke zur Neuen Synagoge der Landeshauptstadt. In Potsdam versammelten sich nach einem "Gedenkweg" rund 250 Menschen zu einem Friedensgebet am Brandenburger Tor. In Magdeburg trafen sich am Mahnmal der 1938 zerstörten Synagoge laut Veranstalter rund 100 Menschen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Auslöser der Kundgebungen war der gewalttätige Übergriff auf zwei Kippa tragende Männer am Dienstag in der vergangenen Woche in Berlin-Prenzlauer Berg. Tatverdächtig ist ein 19-jähriger syrischer Flüchtling, der sich inzwischen in Untersuchungshaft befindet.

Keine falsch verstandene Toleranz

Vor dem Haus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin forderte der Präsident des Zentralrates, Josef Schuster, ein Ende falsch verstandener Toleranz und "100 Prozent Respekt für Juden, für Muslime, für Ausländer, für Homosexuelle und für alle Hautfarben". "Wer sich den Spielregeln widersetzt, die unser Grundgesetz festlegt, der darf nicht mit Toleranz rechnen."

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, mahnte: Juden, Christen, Muslime und Atheisten müssten sich gemeinsam dem Hass entgegenstellen. Juden müssten aufpassen, dass sie nicht gezwungen seien, nur noch jüdische Schulen besuchen zu können.

Der Berliner Imam Kadir Sanci, der dem geplanten Lehr- und Gebetshaus von Muslimen, Christen und Juden "House of One" angehört, begrüßte die Solidaritätskundgebungen mit der Kippa. "Den Kopf zu bedecken ist auch Teil unserer islamischen Tradition", sagte Sanci. "Wir, das Judentum und der Islam, haben so viel gemeinsam", erklärte er.

Starkes Signal

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge sagte, die Gesellschaft müsse noch viel sensibler werden gegenüber jeder Form der Judenfeindschaft. Die fast täglichen Berichte über Anfeindungen gegen und Übergriffe auf Juden hierzulande erfülle die Evangelische Kirche in Deutschland mit Sorge und Scham. "Als Christinnen und Christen stehen wir uneingeschränkt an der Seite unserer jüdischen Geschwister." Christlicher Glaube und Judenfeindschaft schlössen einander aus.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) dankte der Jüdischen Gemeinde für die Kundgebung. Es sei ein starkes Signal und mache klar, "Antisemitismus hat bei uns keinen Platz", die demokratischen Werte seien nicht verhandelbar. Unter den Teilnehmern der Kundgebung waren auch zahlreiche Vertreter der Bundespolitik und Kirchenvertreter sowie der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff.

Unterstützung aus der Bundesregierung

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), erklärte mit Blick auf den Antisemitismus unter muslimischen Einwanderern, "diejenigen, die in dieses Land kommen und hier leben wollen, müssen das wissen: Wir akzeptieren keinen Antisemitismus in diesem Land." Dabei bestätigte er auch einen Vorfall vom Nachmittag auf dem Hermannplatz in Berlin-Neukölln. Dabei soll eine Demonstration gegen Antisemitismus massiv gestört worden sein. Die Polizei sprach dagegen von lediglich drei Teilnehmer, die von sich aus die Kundgebung nach 40 Minuten beendet hätten.

Bereits vor den Kundgebungen hatten mehrere Bundesminister ihre Unterstützung bekundet. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte dem Berliner "Tagesspiegel" (Mittwoch): "Wenn junge Männer bei uns bedroht werden, nur weil sie eine Kippa tragen, müssen wir deutlich machen: Sie sind nicht allein." Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte: "Jüdinnen und Juden müssen in Deutschland sicher leben können - das ist nicht verhandelbar." Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erklärte in Berlin, Juden dürften nie wieder Angst haben müssen, sich in Deutschland zu erkennen zu geben.

Kippa

Die Kippa ist eine kleine kreisförmige Kopfbedeckung. Männliche Juden tragen sie beim Gebet, an Gebetsorten wie Synagogen oder jüdischen Friedhöfen, teils auch im Alltag. Weder aus der Bibel, noch aus den jüdischen Gesetzbüchern ergibt sich ein Gebot für Männer, den Kopf beim Beten zu bedecken.

Die Kippa verbreitete sich seit dem 16. Jahrhundert und soll signalisieren, dass ihr Träger sich an die Gegenwart Gottes erinnert. Üblich ist sie in Synagogen ab dem dritten Geburtstag eines Jungen.

Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann trägt einen blauen Kippah mit einem Davidstern / © Nelson Antoine ( shutterstock )
Quelle:
dpa , DR , epd