Zentralrat der Juden nimmt Islamverbände in die Pflicht

"Oftmals Vorbehalte gegen Juden"

Woher kommt der zunehmende Antisemitismus in Deutschland? Der Zentralrat der Juden glaubt, dass auch die Moscheegemeinden eine Rolle spielen - und  fordert sie auf, noch stärker gegen Judenfeindlichkeit vorzugehen.

In einer Hamburger Moschee / © Axel Heimken (dpa)
In einer Hamburger Moschee / © Axel Heimken ( dpa )

Der Zentralrat der Juden in Deutschland ruft die Islamverbände zu entschiedenerem Vorgehen gegen antisemitische Tendenzen in Moscheegemeinden auf. "Repräsentanten der Muslime haben sich durchaus gegen Antisemitismus positioniert", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der "Welt" (Samstag). "Das Problem ist aber, dass die muslimischen Verbände meist nur einen kleinen Teil der Moscheegemeinden erreichen." Gerade dort würden, etwa durch Imame, oftmals weiterhin "Vorbehalte gegen Juden und gegen Israel verbreitet", während eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus ausbleibe.

Hier seien die muslimischen Verbände aufgerufen, "sehr klar einzuwirken und deutlich zu machen, welcher Wertekodex in Deutschland gilt", betonte Schuster. Bei Protesten gegen die US-Entscheidung, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, hatten vor kurzem unter anderem in Berlin türkisch- und palästinensischstämmige Demonstranten israelische Flaggen verbrannt. Dabei wurde in Sprechchören "Tod den Juden" skandiert.

Verunsichert von der AfD

Die wachsende Verunsicherung in den jüdischen Gemeinden sei aber auch auf das Auftreten der AfD zurückzuführen, betonte Schuster. "Es kommen Äußerungen dazu, die auf der politischen Rechten zu hören sind." Ansichten wie die von Björn Höcke zum Holocaust-Mahnmal in Berlin und "andere eindeutig antijüdische Verlautbarungen von Vertretern - auch Mandatsträgern - der AfD" erzeugten ein Gefühl der Verunsicherung. "Es werden da ganz klar rote Linien überschritten."

Höcke hatte vor rund einem Jahr in Dresden mit Bezug auf das Holocaust-Mahnmal von einem "Denkmal der Schande" gesprochen. Unter anderem forderte der frühere Geschichtslehrer eine 180-Grad-Wende in der deutschen Erinnerungskultur. Höcke selbst fühlte sich missinterpretiert.

Schuster stufte den Antisemitismus von rechtsextremer Seite als mindestens so gefährlich ein wie den von muslimischer Seite. "Die meisten Übergriffe kommen tatsächlich von Rechtsextremisten, die meisten antijüdischen Demonstrationen und lautesten antisemitischen Verunglimpfungen kommen seit einiger Zeit von muslimischer Seite", analysierte Schuster. Auch aus dieser Richtung gebe es allerdings Gewalttaten.

Antisemitismusbeauftragter gefordert

Schuster bekräftigte seine Forderung nach Ernennung eines Antisemitismusbeauftragten in der nächsten Bundesregierung. Zwar würden in den Integrationskursen für Migranten alle Formen von Antisemitismus sowie die deutsche Geschichte thematisiert, doch abends schauten sich viele Teilnehmer dann arabische Fernsehsender wie al-Dschasira an, so dass "alles, was in den Kursen versucht wurde, wieder zunichtegemacht wird".


Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Harald Oppitz (KNA)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA , epd