Sabbat-Ruhe ist Isreals Gretchenfrage

Streit um Ruhetag gefährdet Koalition

Dürfen am jüdischen Ruhetag in Israel notwendige Unterhaltsarbeiten an der Eisenbahnlinie durchgeführt werden? Und wenn ja, wer darf sie durchführen? Die abweichenden Antworten auf diese Frage gefährden die Regierungskoalition.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Am Sabbat soll die Arbeit in Israel ruhen / © Sebi Berens (KNA)
Am Sabbat soll die Arbeit in Israel ruhen / © Sebi Berens ( KNA )

Der Sabbat sei ihm heiliger als die Regierungsgewalt - das machte Israels Gesundheitsminister Jakob Litzman unlängst klar. Entweihungen des jüdischen Ruhetages werde es mit ihm nicht geben; eher trete er von seinem Amt zurück, erklärte der Vorsitzende der strengreligiösen Partei "Vereintes Torah-Judentum". Als Minister, so Litzman, trage er Mitverantwortung für Regierungsentscheidungen. Seine Partei hatte wie die ebenfalls orthodoxe Schass-Partei über den Sabbat-Arbeitskonflikt mit dem Austritt aus der Koalition gedroht.

Es kämen nur nichtjüdische Arbeiter während der Sabbat-Stunden zum Einsatz, hieß der angesichts der Drohungen schnellstens vereinbarte Kompromiss - zum Ärger von Arbeitsminister Haim Katz (Likud), der seinerseits aus Sicherheitsgründen keine Alternative zu jüdischen Arbeitern sah.

Juden arbeiten am Sabbat

Doch die Koalitionskrise schien fürs erste abgewendet. Gleichzeitig wurde bekannt, dass bei Unterhaltsarbeiten an anderen Eisenbahnlinien auch jüdische Mitarbeiter am Sabbat im Dienst waren. Erneut auf die Probe gestellt werden wird die Koalition jedoch bereits zum kommenden Sabbat. Dann steht laut israelischen Medienberichten die vierteljährliche Überprüfung der Signalsysteme an; eine grundlegende Sicherheitsmaßnahme, für die es laut der israelischen Eisenbahngesellschaft speziell ausgebildete Mitarbeiter braucht.

Mehr als 100 dieser Ingenieure und Techniker und damit die überwiegende Mehrheit seien Juden. Ein Ausweichen auf Mitglieder der 20 Prozent nichtjüdischer Minderheiten, um den strengen religiösen Vorschriften gerecht zu werden, sei in diesem Fall nicht möglich.

Gleich zweimal traf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Mittwoch mit den orthodoxen Koalitionspartnern zum Krisengespräch zusammen; Ergebnisse gab es dem Vernehmen nach nicht.

Transportminister Jisrael Katz (Likud) ließ verlauten, er könne der Eisenbahngesellschaft nicht vorschreiben, was sie tue, hoffe aber auf eine Lösung. Sein Namensvetter und Parteigenosse Haim Katz, als Arbeitsminister für die Sondergenehmigungen zur Sabbat-Arbeit verantwortlich, erwies auf die notwendige Balance zwischen Erfordernissen und den "Sensibilitäten der Öffentlichkeit und der Arbeiter".

Eisenbahngesellschaft unbeeindruckt

Die Eisenbahngesellschaft zeigt sich unterdessen laut Medienberichten unbeeindruckt vom drohenden Koalitionsbruch. Sollten die Arbeiten nicht wie geplant am kommenden Sabbat erledigt werden können, müsse der Zugverkehr gestoppt werden. Betroffen von den Ausfällen wäre auch eine erhebliche Zahl (säkularer) Berufspendler.

Die Gretchenfrage zur Sabbat-Arbeit gefährdet damit nicht nur die Regierungskoalition. Ein solches Opfer könnte den ohnehin wachsenden Unmut der mehrheitlich nichtorthodoxen israelischen Gesellschaft über den überproportionalen Einfluss der kleinen strengreligiösen Minderheit auf die Geschicke des Landes weiter verstärken.


Quelle:
KNA