Bundespräsident Gauck eröffnet "Woche der Brüderlichkeit"

Gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung

Bundespräsident Gauck hat in Hannover ist die bundesweite "Woche der Brüderlichkeit" eröffnet. Gauck nutzte seine Festrede für einen Appell gegen Hassreden und Rechtsextremismus. 

Bundespräsident Gauck eröffnete die "Woche der Brüderlichkeit" / © Stefan Heinze (epd)
Bundespräsident Gauck eröffnete die "Woche der Brüderlichkeit" / © Stefan Heinze ( epd )

"Wer glaubt, das christliche Abendland mit der Herabsetzung Anderer, mit Ausgrenzung Andersgläubiger, mit Hassparolen und Säuberungsphantasien verteidigen zu sollen, hat es schon verraten", sagte der Bundespräsident bei der Feierstunde in Hannover.

Gauck betonte, ein klares Profil und entschiedenes Bekenntnis zur eigenen Tradition, Kultur und Religion sei "vollkommen in Ordnung". Aber die wachsende Unbarmherzigkeit von selbst ernannten Verteidigern des "christlichen Abendlandes", die sich längst nicht mehr nur verbal äußere, sei nicht akzeptabel.

"Zutiefst zerstrittene Welt"

Die einst sichere Einigung Europas drohe, Risse zu bekommen, mahnte der Bundespräsident laut Redemanuskript. "Wir erleben doch in diesen Tagen eine zutiefst zerstrittene Welt, eine Welt in der Not und Krieg Menschen zu Hunderttausenden, ja Millionen in die Flucht treibt." Hass erzeuge immer neue Gewalt und diese provoziere neue Vergeltung.

Es gehöre zu den "deprimierendsten Erfahrungen der Gegenwart", dass ungeheuerliche Schreckenstaten verübt werden, unterstrich Gauck. "Vorgeblich im Namen Gottes werden Menschen vergewaltigt und gekreuzigt, verbrannt und enthauptet, erschossen und in die Luft gesprengt." Uralte Zeugnisse menschlicher Kultur und religiösen Glaubens würden von "fanatisierten islamistischen Gotteskriegern" vernichtet.

Während der "Woche der Brüderlichkeit" finden bundesweit Veranstaltungen zur Verständigung zwischen Juden und Christen statt. Sie steht in diesem Jahr unter dem Thema "Um Gottes Willen". Die "Woche der Brüderlichkeit" wird seit 1952 jedes Jahr von den rund 85 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Deutschland veranstaltet.

Auszeichnung für Micha Brumlik

Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung erhielt der jüdische Professor und Publizist Micha Brumlik die Buber-Rosenzweig-Medaille für seinen Einsatz für die Verständigung zwischen Juden und Christen. Die Auszeichnung erinnert an die jüdischen Philosophen und Pädagogen Martin Buber (1878-1965) und Franz Rosenzweig (1886-1929). 

Der 68-jährige Erziehungswissenschaftler Brumlik sei "ein Seismograph für die Suche nach jüdischer Identität in Deutschland nach der Schoah", sagte die evangelische Theologin und Professorin Margot Käßmann in ihrer Laudatio im Theater am Aegi. "Wenn allzu viele allzu schnell vergessen, legt Brumlik den Finger in die Wunde", betonte Käßmann.

"Brückenbauer und Meinungsführer"

Käßmann betonte, dass Brumlik jüdische Theologie für Christinnen und Christen in Deutschland zugänglich gemacht habe. "Er war ein Brückenbauer zu und für die jüdischen Gemeinden." Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende nannte den Preisträger "einen der wichtigsten Meinungsführer jüdischer Intellektueller im Nachkriegsdeutschland". Er habe die jüdische Position in der deutschen Mehrheitsgesellschaft sprachfähig gemacht. "Verbunden mit dem Professorenamt, in dem er nicht nur als Pädagoge, sondern als eine Art Universalgelehrter auftrat, hat er das Auf und Ab des Nachkriegsjudentums begleitet und kommentiert und seine Struktur mitgeprägt."

Brumlik habe den Christen Antworten auf ihre Fragen gegeben und Einblicke in jüdisches Denken vermittelt, unterstrich die einstige hannoversche Landesbischöfin: "Er hat Gesprächsangebote gemacht, war aber kein Vertreter des sanften Wortes, sondern angriffslustig, einer, der herausforderte, ein Störgefühl zurückließ, das am Ende in tieferes Nachdenken führte." Es sei auch Brumlik zu verdanken, wenn Christen in Deutschland gelernt hätten, "das eigene Versagen gegenüber dem Judentum zu begreifen und die Scham zu ertragen, dass wir Jüdinnen und Juden schutzlos dem Terror und Morden der Nationalsozialisten auslieferten".

"Jüdisches Selbstverständnis durch Holocaust geprägt" 

Brumlik hatte in seinem Festvortrag am Samstag betont, die Erinnerung an den Holocaust präge auch 70 Jahre danach weiterhin das Selbstverständnis von Juden in aller Welt und in Israel. "Auch noch in der dritten Generation nach der Schoah leben Juden im Schrecken, im Schock und in Trauer", sagte Brumlik. Das jüdische Volk müsse mit der Erfahrung leben, "beinahe zur Gänze umgebracht worden zu sein".

In seinem Vortrag analysierte der Preisträger die Idee des Zionismus und seiner verschiedenen sozialistischen, nationalen, religiösen und kulturellen Varianten. Anders als bei anderen Nationen habe die Idee einer modernen jüdischen Nation von Anfang an unter dem Druck des Antisemitismus gestanden. Anfang des 20. Jahrhunderts habe die zionistische Bewegung noch erwogen, ein rettendes Territorium etwa im britisch regierten Uganda oder in Lateinamerika zu schaffen.


Quelle:
epd