Zentralrat beklagt Antisemitismus bei deutschen Demonstrationen

"Eine Explosion an Judenhass"

Tausende hatten am Wochenende gegen die Gewalt im Gazastreifen demonstriert. Dabei wurden auch antiisraelische und antijüdische Parolen skandiert. Zentralrats-Präsident Dieter Graumann zeigt sich "schockiert und bestürzt".

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden (dpa)
Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden / ( dpa )

Der Zentralrat der Juden hat Politik, Medien, Zivilgesellschaft und die muslimischen Verbände zu einem klaren Bekenntnis gegen Antisemitismus aufgerufen. "Wir erleben hierzulande gerade eine Explosion an bösem und gewaltbereiten Judenhass, die uns alle schockiert und bestürzt", erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, am Montag in Berlin. "Dass auf deutschen Straßen antisemitische Aufrufe der übelsten und primitivsten Art skandiert werden können, hätten wir niemals im Leben mehr für möglich gehalten", heißt es in der Erklärung weiter.

Die Grenzen der Toleranz

Juden würden in Deutschland wieder offen bedroht und zum Teil auch angegriffen, Synagogen beschmiert und zum Anschlagsziel deklariert, beklagte Graumann. Diese neue Dimension des Antisemitismus werde viel zu wenig beachtet. "Antisemitismus darf nicht verschwiegen, sondern muss thematisiert und entschlossen bekämpft werden", forderte der Zentralratsvorsitzende. "Meinungsfreiheit ja, aber Volksverhetzung nein und niemals!"

Toleranz habe ihre Grenzen dort, wo andere Menschen verunglimpft und angegriffen würden. Hier gehe es oft gar nicht mehr um Kritik an konkreter israelischer Regierungspolitik, "hier regiert zu offensichtlich der reine und blanke Judenhass". Diese dramatische Entwicklung mache der jüdischen Gemeinschaft mittlerweile sehr große Sorgen. "Wir wünschen uns in diesen Tagen daher viel mehr entschlossenes Engagement für die jüdische Gemeinschaft im Land".

Beleidung oder Volksverhetzung

Der Berliner "Tagesspiegel" berichtet am Montag auf seiner Homepage, dass die bei einer anti-israelischen Demonstration am Donnerstag in Berlin gerufene Parole "Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein" offenbar nicht unter den Straftatbestand der Volksverhetzung falle. Dies habe eine "vorläufige Einschätzung durch die Staatsanwaltschaft" ergeben, schreibt das Blatt unter Berufung auf Berlins Polizeisprecher Stefan Redlich. Es handele sich lediglich um eine Beleidigung. Gleichwohl habe die Berliner Polizei entschieden, das Rufen dieser Parole künftig über das Versammlungsrecht per Auflage zu untersagen.

Kritik an der Polizei

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte: "Wenn jemand Demonstrationen oder das Recht auf Meinungsfreiheit dazu nutzt, um antisemitische Parolen zu verbreiten oder Menschen jüdischen Glaubens tätlich anzugreifen, so hat er die Konsequenzen aus diesem Missbrauch zu tragen." Deutschland und Berlin hätten eine historische Verantwortung zum Schutz des Staates Israel. Zuvor hatte es massive Kritik daran gegeben, dass die Berliner Polizei  nicht eingeschritten war, als Demonstranten die antisemitischen Parolen riefen.

Das Berliner Büro des American Jewish Committee (AJC) hatte gegen die Demonstranten, die die Parolen gerufen hatten, Strafanzeige erstattet. In einem Brief appellierte das AJC am Wochenende an Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), "solche Vorfälle öffentlich sofort zu verurteilen, um klare Grenzen zu setzen". Auch in anderen deutschen Städten wie Essen und Mainz hatten in den vergangenen Tagen palästinensische Aktivisten antisemitische Sprechchöre skandiert.


Quelle:
epd