Juden und Muslime begrüßen Gesetzentwurf zur Beschneidung

Einigung in Reichweite

Das Gesetz zur Erlaubnis religiöser Beschneidungen nimmt Gestalt an: Der Entwurf aus dem Justizministerium erntet bei Juden und Muslimen Lob. Beschneidungsgegner appellieren indes weiter, das Gesetz noch zu stoppen.

Beschneidungsgesetz kommt (KNA)
Beschneidungsgesetz kommt / ( KNA )

Der Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Erlaubnis religiöser Beschneidungen ist bei Juden und Muslimen auf Zustimmung gestoßen. "Wir sind froh, dass jüdische Gebote und damit jüdisches Leben nicht in die Illegalität gedrängt werden", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, am Donnerstag in Berlin. Auch der Zentralrat der Muslime begrüßte den Entwurf.



In der kommenden Woche im Kabinett

Gut drei Monate nach Bekanntwerden des Kölner Urteils, das die religiöse Beschneidung als Körperverletzung gewertet hatte, nehmen die Gesetzespläne der Bundesregierung Gestalt an. Am Montag wurde ein Entwurf zur Abstimmung verschickt. Bereits in der kommenden Woche könnte er im Kabinett behandelt und danach in den Bundestag eingebracht werden.



Nach dem Entwurf, der dem epd vorliegt, soll die elterliche Sorge die Entscheidung für eine Beschneidung aus medizinisch nicht notwendigen Gründen bei Minderjährigen umfassen. Der Eingriff wäre demnach erlaubt, wenn er nach den Regeln ärztlicher Kunst ausgeführt wird. Dazu gehören eine umfassende Aufklärung und eine möglichst effektive Schmerzbehandlung. In den ersten sechs Monaten nach der Geburt soll der Eingriff auch einem religiösen Beschneider erlaubt sein.



Der Ärztliche Direktor des Jüdischen Krankenhauses in Berlin, Kristof Graf, begrüßte den Entwurf. "Ich denke, das wird im Alltag Klärung und Ruhe in die Debatte bringen", sagte er dem epd. Noch zu klären werde sein, ob die Religionsgemeinschaften angesichts der Tätigkeit ritueller Beschneider einheitliche Standards entwickeln und beispielsweise Ausbildungszertifikate vergeben wollen, ergänzte Graf. Darüber sollten Rabbiner und der Zentralrat der Juden diskutieren.



"Sicherlich müssen wir hier auch einige Kompromisse eingehen", sagte Graumann zu dem Thema. Dennoch sei die Tatsache, dass die fachgerecht ausgebildeten Beschneider (Mohalim) den Eingriff weiter vornehmen könnten "ein guter und wichtiger Beschluss". Zudem hoffe er, dass in der Zivilgesellschaft das Verständnis und der Respekt für jüdisches Leben wieder wachse.



European Jewish Congress befürchtet Einschränkung in weiteren Ländern

Der European Jewish Congress befürchtet indes auch in anderen Ländern eine Einschränkung der religiösen Praxis. In einem Brief an die Spitzen von europäischer Kommission, Rat und Parlament sowie Regierungen betroffener Mitgliedländer verweist die Dachorganisation auf Pläne der Opposition in Finnland, religiöse Beschneidungen als Straftat zu werten. Auch in Österreich und der Schweiz habe das Kölner Beschneidungsurteil Auswirkungen gehabt. Der Präsident der Organisation, Moshe Kantor, appellierte in seinem Brief an die führenden Politiker, für die Entfaltung der Religionsfreiheit Sorge zu tragen.



Kritik am Gesetzentwurf zur Beschneidung kam von der Frauenhilfsorganisation "Terre des femmes" und der Deutschen Kinderhilfe. Der Entwurf werfe mehr Fragen und Ungereimtheiten auf, als er Rechtssicherheit biete, erklärte die Vorstandsvorsitzende von "Terre des Femmes", Irmingard Schewe-Gerigk. Sie verwies dabei auf eine fehlende Definition der "Regeln der ärztlichen Kunst" und die Bestimmungen zur Schmerzbehandlung.



Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann, sagte, das geplante Gesetz schwäche die Kinderrechte. Er startete gemeinsam mit anderen Organisationen eine Bundestags-Petition, die einen Aufschub des Gesetzes zugunsten einer ausführlicheren Diskussion fordert. Das noch eine Woche laufende Begehren haben bisher knapp 4.600 Menschen unterzeichnet.


Mehr zum Thema