Erste Rabbinerordination in Köln nach dem Holocaust

Warnungen vor Rassismus bestimmen Feier

Es ist ein besonderes Ereignis für das Judentum in Deutschland: die erste Rabbinerordination nach dem Holocaust in der Kölner orthodoxen Gemeinde. Durch den Angriff auf einen Berliner Rabbiner Ende August in Berlin und die Beschneidungsdebatte sind die Juden in Deutschland zutiefst beunruhigt. Als Zeichen der Solidarität nimmt Außenminister Westerwelle an der Feier teil und zeigt gegenüber der jüdischen Gemeinschaft Flagge.

Autor/in:
Andreas Otto/ Fabian Wahl
 (DR)

Wohltuender Zuspruch vom Außenminister

Die Worte des Außenministers sind deutlich und lösen in der Synagoge an der Roonstraße immer wieder Applaus aus. "Wer in Deutschland Beschneidungen von Jungen untersagt, untersagt jüdisches Leben in Deutschland", so der Minister. Es gehe nicht um medizinische oder juristische Fragen, sondern darum, "ob Deutschland Heimat von Juden ist". Die Debatte zeige im Ausland verheerende Wirkung. Und überhaupt sei es abwegig, die Jungenbeschneidung mit der Verstümmelung von Mädchen gleichzusetzen. Empört zeigt sich Westerwelle über den Angriff auf Rabbi Alter in Berlin. Der deutsche Rechtsstaat werde mit ganzer Härte gegen antisemitische und rechtsradikale Straftaten vorgehen, sagt er.



Auch die Repräsentanten des Judentums verteidigen mit Vehemenz die Beschneidungspraxis und verurteilen Antisemitismus. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald S. Lauder, bekundet Unverständnis, dass in Deutschland jüdische Bräuche infrage gestellt werden. Eine freie Gesellschaft müsse Minderheiten und ihre Rechte schützen. Klare Worte findet auch der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dieter Graumann. "Wir lassen uns nicht unterkriegen", sagte er mit Blick auf den Überfall und die Beschneidungsdebatte. Die Beschneidung habe für Juden eine "substanzielle Bedeutung"; sie verbinde Juden mit Gott und weltweit.



"Wir sind von hier"

Alle Redner sehen in der Ordination der vier Männer ein Aufblühen jüdischen Lebens in Deutschland. Die Religionsgemeinschaft zählt in der Bundesrepublik inzwischen wieder rund 100.000 Mitglieder, die Kölner Gemeinde knapp 5.000. Der Zuwachs beruht vor allem auf dem Zuzug von Juden aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion. Zwei der neuen Rabbiner stammen denn auch aus der Ukraine und Weißrussland, einer aus den USA. Daniel Fabian, der jüngste der Ordinierten, wurde in Israel geboren und wuchs bei Düsseldorf auf.  Ein Satz von ihm zu Beginn der Feier hat es Außenminister Westerwelle besonders angetan, weshalb er diesen wegen seiner programmatischen Aussage noch einmal zitiert: "Wir sind von hier."



Die vier Männer, die jetzt ordiniert wurden, sind Absolventen des Berliner Rabbinerseminars. Dieses war 1873 von Rabbiner Esriel Hildesheimer gegründet worden und wird deshalb bis heute auch Hildesheimer´sches Rabbinerseminar genannt. Es war die wichtigste Lehreinrichtung zur Ausbildung orthodoxer Rabbiner in Westeuropa und hatte von der Gründung bis zur zwangsweisen Schließung nach der Pogromnacht 1938 durch die Nazis rund 600 Studenten.



Erst die dritte Ordination

2009 wurde das Rabbinerseminar vom Zentralrat der Juden mit Unterstützung der Ronald S. Lauder Stiftung wiedereröffnet. Es arbeitet im Fach Jüdische Sozialarbeit mit der Fachhochschule Erfurt zusammen. Die erste Ordination von Absolventen des Rabbinerseminars nach dem Holocaust fand 2009 in München und die zweite 2010 in Leipzig statt. Die dritte war nun in Köln.



Die in Köln ordinierten Rabbiner Jonathan Konits, Dennis Surovtsev, Reuven Konnik und Daniel Fabian stammen aus den USA, Weißrussland, der Ukraine und Israel und leben seit Jahrzehnten in Deutschland oder sind hier aufgewachsen. Konits wird als Rabbiner in Frankfurt am Main tätig sein und zudem an einem Bildungsprojekt für Studenten und junge Erwachsene arbeiten. Surovtsev wird als Assistenzrabbiner ist der Kölner Synagogen-Gemeinde arbeiten. Graumann sprach von einem "Freudentag". Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland werde durch die vier Männer gestärkt, verbessert und gekräftigt.



Die jüdischen Gemeinden in Deutschland haben in den vergangenen 20 Jahren einen enormen Zulauf erhalten. Die Zahl ihrer Mitglieder kletterte nach Angaben der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland seit 1990 von rund 30.000 auf 103.000 in 2011.



Bundesweit gibt es aktuell mehr als 100 jüdische Gemeinden. Dabei gilt die Kölner als die älteste nördlich der Alpen. Nachweise gehen bis auf das Jahr 321 zurück.