Zentralrat der Juden kritisiert Oliver Bierhoff und DFB

Unbill vor der EM

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, kritisiert den Deutschen Fußballbund und vor allem den Manager der Fußballnationalmannschaft, Oliver Bierhoff. Dessen Vorschlag im Vorfeld, den Holocaust bei der EM in Polen bei einem Kamingespräch zu thematisieren, sei eine "kolossale Gefühllosigkeit und Geschmacklosigkeit" gewesen, so Graumann.

 (DR)

Die Äußerung sei unerträglich vor dem Hintergrund, "dass in Auschwitz Menschen, zum Beispiel meine Großeltern, vergast, verbrannt und durch den Kamin gejagt wurden". Den Besuch einer DFB-Delegation mit nur wenigen Nationalspielern in der Gedenkstätte von Auschwitz wertete Graumann als verpasste Chance. "Wenn die komplette Nationalmannschaft gekommen wäre, hätte man damit hunderttausende junger Menschen erreicht, mehr als mit tausend Gedenkreden", sagte er. Der DFB habe einen solchen Besuch aller Spieler aber mit dem Hinweis abgelehnt, diese seien dafür zu sensibel.



So seien nur Kapitän Philipp Lahm sowie die beiden in Polen geborenen Spieler Lukas Podolski und Miroslav Klose am Freitag mit der Delegation um Präsident Wolfgang Niersbach, Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw nach Auschwitz gekommen. Die englische Nationalmannschaft besuche dagegen die Gedenkstätte geschlossen.



Frühe Irritationen

Beim DFB hatte man sich irritiert gezeigt, als Graumann im März öffentlich einen Auschwitz-Besuch der deutschen Elf angeregt hatte.

Man habe zu der Zeit längst selbst geplant, wie man mit dem Thema umgehen wolle, hatte Bierhoff daraufhin erklärt und zugleich bemängelt, dass Graumann nicht vor dem Gang an die Öffentlichkeit das direkte Gespräch mit dem DFB gesucht habe. Jetzt könne es "so wirken, als seien wir dahin geführt worden".



Bei dem Besuch selbst hatte Bierhoff betont, man wolle "ein Zeichen setzen, dass ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte niemals in Vergessenheit geraten und sich nie wiederholen darf". Bewusst habe man die Aktion möglichst klein gehalten und die Medien weitgehend ausgeschlossen, um "keine PR-Aktion" daraus zu machen.



Graumann warf Bierhoff dennoch vor, "haufenweise Porzellan zerschlagen und brutal nachgetreten" zu haben. Das sei vor allem deshalb bedauerlich, weil es in den vergangenen Jahren gelungen sei, neues Vertrauen zwischen dem Zentralrat und dem DFB aufzubauen. "So kann man mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland nicht mehr umgehen", sagte der Zentralrats-Präsident unter dem Beifall der Zuhörer.



Auch Kritik am IOC

Scharfe Kritik äußerte Graumann auch am Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Das IOC hatte den Vorschlag zurückgewiesen, der israelischen Sportler, die bei den Olympischen Spielen vor 40 Jahren in München ermordet worden waren, während der Eröffnungsfeier der Spiele in London mit einer Schweigeminute zu gedenken. Graumann nannte diese Ablehnung "gefühlskalt und unmenschlich".



Zum Gemeindetag trafen sich in Hamburg rund 240 Mitglieder jüdischer Gemeinde aus ganz Deutschland - zum Austausch, zu vier Workshops, geführten Stadtspaziergängen und einem Kulturprogramm. Der Gemeindetag findet in unregelmäßigen Abständen statt, zuletzt 2004 in Düsseldorf.