Islamist ruft zu Gewalt gegen jüdischen Gemeindevorstand auf

Akute Bedrohung

Ein radikaler Islamist hat über das Internet zu Gewalt gegen den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Pinneberg, Wolfgang Seibert, aufgerufen. Auf der Seite der "Islamic Hacker Union" wird Seibert als "dreckiger Jude" beschimpft. Ein Foto von ihm ist rot durchgestrichen, im Text darunter heißt es: "Pass auf, dass Allah dich nicht schon im diesseits straft mit dem Tod."

 (DR)

"Einschüchtern lasse ich mich auf keinen Fall." Wolfgang Seibert ist Vorstand der Pinneberger Jüdischen Gemeinde und wird seit Mittwoch auf einer islamistischen Internet-Seite bedroht. Er sei ein "dreckiger Jude" heißt es dort und unter einem rot durchkreuzten Foto von ihm steht: "Pass auf, dass Allah dich nicht schon straft im Diesseits mit dem Tod". Für Seibert ist das eindeutig eine "akute und schlimme Bedrohung", er hat Strafanzeige gestellt. Auch die Polizei nimmt die Drohungen ernst. Der Staatsschutz hat sich eingeschaltet, ein Sprecher sagte der Nachrichtenagentur dapd: "Es laufen auch Schutzmaßnahmen."



Der Betreiber der Seite, der die Drohungen formulierte, nennt sich im Internet Isa Al Khattab. Dahinter steckt Harry M.. Er ist in Pinneberg gemeldet, wohnt aber laut seiner Facebook-Seite angeblich in Neumünster. Auf seiner Seite "Islamic Hacker Union" verherrlicht er den Dschihad, feiert islamistische Kämpfer, auch aus Deutschland, die inzwischen im "Heiligen Krieg" in Afghanistan oder Pakistan gefallen sind. Ihnen und dem Attentäter vom 11. September 2001, Mohammed Atta, wünscht er, dass Allah ihnen die höchste Ebene im Paradies gebe. In seinen Facebook-Einträgen schreibt er: "Möge Allah die Kuffar (Anmerkung der Redaktion: Ungläubige) vernichten oder rechtleiten."



Ins Visier dieses Islamisten geriet der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Seibert, nachdem er sich zunächst kritisch über das Verständnis des Begriffs Dschihad, also "Heiliger Krieg", in der neuen Moschee der "Muslimischen Vereinigung Pinnebergs" geäußert hatte. Die Moschee war Ende vergangener Woche im Zusammenhang mit dem Besuch durch den Ex-Rapper Deso Dogg, einem heutigen Islamisten, in die Diskussion geraten.



Pinneberger Moschee neue Anlaufstätte für Islamisten

Die Nachrichtenagentur dapd hatte kurz zuvor über einen Auftritt Deso Doggs in Rheinland-Pfalz berichtet, bei dem er in ungewöhnlich deutlicher Form den bewaffneten "Heiligen Krieg" und den Märtyrertod verherrlicht hatte. Er sang Zeilen wie: "So Allah will, wir kämpfen, fallen, als Märtyrer, den Feind im Auge, im Namen Allahs." Der Gangsta-Rapper Deso Dogg ist nach eigener Aussage ein ehemaliger Straftäter, wurde wegen schwerer Körperverletzung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Im vergangenen Jahr beendete er dann seine Musiker-Karriere. Er kündigte an, sich auf den Islam konzentrieren zu wollen und hielt Vorträge zusammen mit islamistischen Predigern.



Der Verfassungsschutz erklärte zudem, dass Islamisten aus Hamburg in der Pinneberger Moschee eine neue Anlaufstätte gefunden hätten. In diesem Zusammenhang forderte Seibert als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde: "Diese Moschee sollte dicht gemacht werden." Jetzt hat Harry M. die Drohungen veröffentlicht. Direkt unter die Warnung an Seibert hat er ein Video gestellt. Darin sieht man unter dem Titel "Die Strafe Allahs kann dich überall treffen" den tödlichen Einsturz des Gebäudes, in dem eine Hochzeitsgesellschaft gerade ausgelassen feiert. Darunter die Textzeile: "Möge Allah sie vernichten, Amin!" Die Zeile stand ursprünglich unter dem rot durchkreuzten Bild von Wolfgang Seibert, wurde aber inzwischen an einer anderen Stelle platziert.



Zwar schreibt Harry M. alias Isa Al Khattab auch, "dies ist keine Drohung von mir, sondern von Allah". Doch die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur betonte, dass besonders der Verweis auf eine Strafe im "Diesseits" sowie der Tenor der Internet-Darstellung deutlich als Aufruf zur Gewalt zu verstehen sei. "Der Mann legt die Lunte, stellt Herrn Seibert an den Pranger, sagt quasi, das ist ein "dreckiger Jude", ein Feind der Muslime. Er hofft wohl darauf, dass einer seiner Gesinnungsbrüder den angeblichen Willen Allahs auch umsetzen und diese Strafe vollziehen wird", sagte sie der dapd.



Zuspruch und Unterstützung von Muslimen

Seibert hat diese Botschaft wohl verstanden, doch er sagt: "Ich lass" mich nicht einschüchtern. Ich denke, wo etwas so schief läuft wie dort, muss man den Mund aufmachen." Er sei zwar vorsichtiger geworden, bewege sich aber weiter normal durch Pinneberg. Vor allem, weil er auch viel Zuspruch und Unterstützung von Muslimen im Ort erhält. "Ich bin in der Stadt von muslimischen Mitbürgern angesprochen worden, die mir gesagt haben, es ist gut, dass einer was über diese Moschee sagt, die verdirbt unsere Kinder", erklärt Seibert. Ihm sei auch gesagt worden: "Pass gut auf dich auf, das sind Idioten." Seibert geht davon aus, dass das Verhältnis zur Mehrheit der Muslime von der derzeitigen Geschehnissen nicht berührt wird und so gut bleibt, wie es all die Jahre zuvor war.



Der Mietvertrag mit der "Muslimischen Gemeinschaft Pinneberg" soll inzwischen gekündigt sein. Die Moschee bestand erst seit rund einem halben Jahr und ist für den schleswig-holsteinischen Verfassungsschutz eine "Problem-Moschee". Das hat Verfassungsschutzchef Horst Eger bereits in den vergangenen Tagen erklärt. Seit in Hamburg die Taiba-Moschee geschlossen worden sei, hätten islamistisch denkende Muslime sich nach Pinneberg orientiert.



Die Taiba-Moschee am Steindamm in Hamburg war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 - damals hieß sie noch Al-Quds - ins Visier von Sicherheitsexperten geraten. Dort hatten sich der - von Isa Al Khattab gefeierte - Terror-Pilot Mohammed Atta sowie die Attentäter Marwan Alshehhi, Ziad Jarrah und etliche Unterstützer regelmäßig getroffen. Das Gebetshaus hatte sich zum zentralen Treffpunkt von Befürwortern des weltweiten Dschihad im Sinne der Al-Kaida-Ideologie entwickelt.



Im August 2010 ließ Hamburgs Innenbehörde die Moschee schließen. Hamburgs damaliger Innensenator, der heutige Erste Bürgermeister Christoph Althaus (CDU), sagte, die Schließung sowie das Verbot des Taiba-Vereins seien ein wichtiges politisches Signal. Hamburg dürfe nicht die Wiege gewaltbereiter Islamisten sein. Seitdem sind offenbar Personen aus dem Umfeld der früheren Taiba-Moschee nach Pinneberg ausgewichen.