Nach Wulff-Rede betont Weihbischof christliche Wurzeln Deutschlands

„Das kann nicht einfach so weggewischt werden“

Das Thema Integration ist Christian Wulff ein großes Anliegen, das machte er schon in seinen ersten Reden als Bundespräsident deutlich. Zum Tag der Deutschen Einheit betonte er nun den Stellenwert des Islam – und ordnete ihn in eine Reihe mit Christen- und Judentum. Im Interview mit domradio.de begrüßt der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke die Rede grundsätzlich, betont aber gleichzeitig die christlichen Wurzeln Deutschlands.

 (DR)

domradio.de: Die Muslimen haben die Rede gelobt, Sie hingegen weisen in der "Bild"-Zeitung darauf hin, die "christlichen Werte" nicht preisgeben zu dürfen. Sehen Sie diese bedroht?

Jaschke: Ich lobe die Rede natürlich sehr, das war ein wichtiges Zeichen, dass der Bundespräsident den Muslimen die Hand reicht. Und zur Einheit gehört auch die innere Einheit - auch die Einheit mit der Gruppe der Muslime. Wir als Christen stehen ja im Dialog mit den Muslimen und wissen uns beide durch den Glauben an Gott verbunden. Ich möchte wirklich, dass sich die Muslime gut integrieren. Sie haben Religionsfreiheit bei uns. Aber das bedeutet doch nicht, dass wir unsere christliche Kultur hinten anstellen müssen. Ich sage seit Jahren: Deutschland ist kein Multi-Kulti-Land. Über 60 Prozent der Menschen gehören zu den christlichen Kirchen. Wir haben religiös bestimmte Traditionen, wir haben Feste, die Kirchen sind präsent an den Schulen, usw. Das möchte ich in keiner Weise aufgeben.



domradio.de: Wulff hat Einwanderer zu mehr Toleranz und aufgefordert. Was bedeutet das für Christen in Deutschland?

Jaschke: Toleranz und Offenheit wird dann wachsen, wenn Vertrauen wächst, wenn Deutsche spüren, dass Muslime wirklich hier bei uns zuhause sind und dass sie unsere Gesellschaft mittragen; auch dass sie Respekt haben vor dem, was gewachsen. So wie ich Muslime kenne, respektieren sie auch unsere religiösen Traditionen; sie stoßen sich nicht daran, dass ein Kreuz in bestimmten Räumen hängt. Ich unterstütze voll, dass Muslime Religionsunterricht an den Schulen erteilen können. Aber man wird auch sagen müssen, dass die Christen da doch in einer weit größeren Zahl vertreten sind. Und man wird nicht eine völlige Gleichheit für Muslime und Christen, was den Religionsunterricht angeht, erreichen können. Hier ist Augenmaß notwendig. Ähnliches gilt für den Bau von Moscheen und muslimischen Zentren. Das ist alles wichtig und richtig, aber Integration wächst dann, wenn Menschen spüren, dass passt alles irgendwie zueinander und das geschieht in Respekt voreinander.



domradio.de: Wie bewerten sie die Aussage, dass der Islam zu Deutschland gehöre wie Christen- und Judentum?

Jaschke: Man muss schauen, wie sich ein Islam in Deutschland entwickelt. Selbstverständlich: Alle Menschen, die bei uns leben und die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, gehören zu Deutschland, das ist doch völlig klar. Aber noch einmal: Wir sind über 60 Prozent Christen in unserem Land, wir haben eine Kultur, auf der wir aufbauen, ein Boden für unser Recht und unsere Sittlichkeit, das kann nicht einfach so weggewischt werden.

domradio.de: Wie kann der Dialog zwischen Christen und Muslimen weiter gefördert werden?

Jaschke: Man muss im Gespräch bleiben. Man darf sich nicht loslassen. Das Gespräch muss auf vielen Ebenen erfolgen, ich tue das auf Bundesebene, wir haben auch den Runden Tisch der Religionen auf Bundesebene. Aber wichtig sind Dialog und Begegnung vor Ort, da wo die Menschen leben. Ich verstehe, dass Muslime im Dialog von uns immer Unterstützung für ihre Forderungen haben wollen. Ja, wir geben ihnen die Unterstützung, wenn es um Religionsunterricht und Moscheebau geht. Aber ich möchte mit Muslimen vor allen Dingen auch ins Gespräch kommen über das, was sie religiös bewegt, damit wir uns da besser kennen lernen: Was heißt es für einen Moslem an Allah zu glauben und ihm ergeben zu sein? Was bedeutet Glaube für Christen und wie können wir diesen Glauben in unserer Gesellschaft gemeinsam Ausdruck geben? Ich möchte nicht nur von interessenbestimmten Dialog sprechen, sondern auch Gemeinsamkeiten des Religiösen im Dialog immer wieder in die Mitte stellen.



Das Gespräch führte Monika Weiß.