Vor fünf Jahren wurde das Holocaust-Mahnmal eröffnet

Kein steinerner Schlussstrich

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin besuchen rund zwei Millionen Menschen im Jahr. Den dazugehörigen "Ort der Information" besucht immerhin jeder Fünfte von ihnen. Vor fast genau fünf Jahren wurde das Denkmal zur Ermordung der Juden Europas mit einem großen Festakt eröffnet.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

Der US-amerikanische Architekt Peter Eisenman war mit dabei. Er bekannte damals, für ihn grenze es fast an ein Wunder, dass das Mahnmal mit seinen 2.711 Betonstelen wirklich gebaut wurde.
Tatsächlich hatte es jahrelang Streit um den Sinn des Vorhabens gegeben, um den angemessenen Ort, die konkrete Ausführung, mehrmals stand das Projekt ganz auf der Kippe.

Der Anstoß zu dem Projekt, dessen Areal mit rund 19.000 Quadratmeter etwa drei Mal so groß ist wie ein Fußballfeld, kam bereits 1988 von einem Kreis um die Publizistin Lea Rosh. Zu den Unterstützern zählten der ehemalige und 1992 gestorbene Bundeskanzler Willy Brandt und der Schriftsteller Günter Grass. Der Fall der Mauer sowie der Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin führten in den 1990er Jahren dazu, dass das Mahnmalsprojekt zum Gegenstand einer grundsätzlichen Debatte über das Selbstverständnis der Deutschen am Ende des 20. Jahrhunderts und ihren Umgang mit dem Holocaust wurde.

1999 beschloss der Bundestag schließlich den Bau. Zugleich nahm er den Vorschlag des damaligen Kulturstaatsministers Michael Naumann (SPD) auf, das Stelenfeld um einen unterirdischen «Ort der Information» zu ergänzen. Dort finden die Besucher Fakten über die Hintergründe der Ermordung von mehr als sechs Millionen europäischer Juden durch die Nationalsozialisten.

Zugleich wuchsen die veranschlagten Kosten auf 27,6 Millionen Euro, das Doppelte der ursprünglichen Planungen. Immer wieder musste der Baubeginn verschoben werden: So gab es Sicherheitsbedenken wegen der US-Botschaft, die in unmittelbarer Nähe gebaut wurde. An den Rand des Scheiterns geriet das Projekt auch durch die Beteiligung der Firma Degussa, deren Tochterunternehmen im Zweiten Weltkrieg das Giftgas für die Konzentrationslager produziert hatte. Dass sie den Graffitischutz der Stelen liefern sollte, weckte internationale Proteste, wurde jedoch schließlich hingenommen.

Die Reaktionen auf das abstrakte Stelenfeld fallen nach wie vor unterschiedlich aus. «Aber auch die Kritiker sollen gar nicht verstummen», so der Direktor der Mahnmals-Stiftung, Uwe Neumärker. Wichtig sei, dass es niemanden kalt lasse. «Das Mahnmal soll kein steinerner Schlussstrich sein.»

Die befürchteten Graffiti-Schmierereien gab es bislang nur selten, dafür aber andere Probleme: So nutzen Kinder und Jugendliche das Mahnmal zum Versteck-Spiel und klettern auf den Stelen herum. Seitdem sich auch ein kleinerer Unfall ereignete, werden sie höflich von Sicherheitskräften ermahnt. Architekt Eisenman begrüßte das Spielen ausdrücklich, weil es zeige, dass das Denkmal angenommen worden sei. Auch an die Imbissbuden am Rande des Stelenfeldes haben sich die Berliner inzwischen gewöhnt.

Ernsthafte Sorgen bereiten der Stiftung allerdings Risse, die nach den ersten Wintern an den Stelen auftraten. Rund 1.900 sind inzwischen betroffen. Ein Versuch, die Schäden mit Kunstharz auszubessern, verlief «nicht zufriedenstellend», so die Stiftung.

Seit einem Jahr läuft ein von ihr eröffnetes Gerichtsverfahren, das die Verantwortlichkeit für die Schäden klären soll. Zudem soll ein geeignetes Verfahren für die Beseitigung gefunden werden. Zugleich warnt Direktor Neumärker aber vor einer Dramatisierung der Risse und beruhigt die Besucher, das Mahnmal werde nicht bröckeln und auch nicht einstürzen.