Vatikan verteidigt Seligsprechung für Pius XII. gegen Proteste

"Emotionale Polemik"

Der Vatikan hat den von Papst Benedikt XVI. verfügten entscheidenden Fortschritt im Seligsprechungsverfahren für einen seiner Vorgänger, Pius XII., gegen Proteste aus dem Judentum verteidigt. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats, Kurienkardinal Walter Kasper, bezeichnete den Streit um die jüngste Anerkennung des "heroischen Tugendgrads" des Papstes der Hitlerzeit als "emotionale Polemik".

 (DR)

Papst Benedikt XVI. hatte am Wochenende einen Monat vor seinem für den 17. Januar geplanten Besuch in der römischen Synagoge das Seligsprechungsverfahren für seinen Vorgänger vorangebracht, indem er dessen Tugendgrad anerkannte. Der Vorsitzende der italienischen Rabbinerversammlung, Giuseppe Laras, warnte daraufhin vor einer möglichen Absage der Visite.

Aus jüdischer Sicht wäre ein Fortschritt der Seligsprechung des
1958 verstorbenen Kirchenoberhaupts erst nach der vollständigen Öffnung der Vatikanarchive aus der Hitlerzeit angebracht gewesen. Vatikansprecher Federico Lombardi lehnte die in diesem Zusammenhang erneut gestellte Forderung nach einer vollständigen Öffnung der Archive ab. Die Vorbereitung des Archivbestands werde weitere fünf bis sechs Jahre beanspruchen.

Lombardi wies auf die gängige Praxis hin, die Archive jeweils für gesamte Pontifikate zu öffnen. Zudem habe der Vatikan bereits 1965 eine zwölfbändige Dokumentation über die Zeit des Nationalsozialismus veröffentlicht.

Kasper: Synagogenbesuch nicht gefährdet
Kardinal Kasper verteidigte nach Angaben der Turiner Tageszeitung "La Stampa"  Montag Pius XII. gegen den Vorwurf, zum Holocaust geschwiegen zu haben. Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" habe täglich offen Stellung genommen. "Ein öffentlicher Angriff von Pius XII. auf das Dritte Reich hätte den Juden ebenso geschadet, wie die Appelle der holländischen Bischöfe", betonte der Kurienkardinal, der für den Dialog mit dem Judentum zuständig ist.

Kasper forderte dazu auf, die Seligsprechung von der historischen Forschung über Pius XII. zu unterscheiden. Er äußerte sich zuversichtlich, dass der geplante Synagogenbesuch nicht gefährdet ist.