Premiere "Jerusalem" bei der Ruhrtriennale 2009

Musikalische Grenzöffnung

Am Donnerstagabend erlebt das Konzertprogramm "Jerusalem - Stadt der zwei Frieden" im Rahmen der Ruhrtriennale 2009 Premiere. Zwar beschäftigt sich die Veranstaltungsreihe in diesem Jahr mit dem Schwerpunkt Judentum. Das Konzert passt mit seinem interkulturellen Ansatz aber auch zum Gesamtkonzept der Triennale, die sich in den beiden kommenden Jahren mit dem Verhältnis von Kultur und Religion an den Beispielen Islam und Buddhismus befasst.

Autor/in:
Anja Kordik
 (DR)

Die Bühne in der Bochumer Jahrhunderthalle ist mit leuchtendblauem Filz ausgelegt - ein Anklang an orientalische Teppiche und ein Kontrast zur nüchternen Stahlarchitektur des 1902 erbauten Industriebaus. Musiker mit fremdartigen Saiteninstrumenten und Flöten spielen eine schlichte Melodie. Auf einer eisernen Empore erscheint ein Sänger, lässt kraftvoll den islamischen Gebetsruf erklingen. Alle Musiker auf der Bühne setzen mit ihren Instrumenten ein: Lauten, Flöten, eine Trommel - ein spielerisch klingender, sich nach und nach beschleunigender Rhythmus. Dazu tanzt ein Mann in immer schnelleren Drehungen: Tanz der Derwische.

Das «Jerusalem»-Projekt unter Leitung des katalanischen Gamba-Virtuosen und Dirigenten Jordi Savall führt christliche, jüdische und muslimische Musiker zusammen. Sie vermitteln Einblicke in die wechselvolle Geschichte der Heiligen Stadt. Das Programm gliedert sich in drei große Teile: die jüdische Geschichte der Heiligen Stadt, genauer die Epoche von den Zeiten König Davids bis zur Zerstörung des Tempels durch die Römer. Die christliche Epoche Jerusalems, beginnend mit dem Aufruf Papst Urbans II. zu den Kreuzzügen. Dann die arabisch-osmanische Epoche nach der Eroberung Jerusalems unter Saladin. Jeder Zeitabschnitt wird durch Gesänge und Texte aus der jeweiligen Zeit und Volkstradition unterlegt, etwa durch Worte des christlichen Königs Alfons des Weisen.

In der Interpretation durch das internationale Ensemble gewinnen diese alten Zeugnisse verschiedener Kulturtraditionen eine neue Dynamik und Aktualität. Jerusalem - Ort des Friedens, des Zusammenlebens, Ort aber auch zahlloser Konflikte und gewaltsamer Eroberungen. Akzentuiert wird dieser schmerzvolle Teil der Stadtgeschichte durch Hornisten und Trompeter, die von einer der Emporen dissonante, durchdringende Kriegssignale intonieren - eine Anspielung auf die Posaunen von Jericho.

«Jerusalem - Stadt der zwei Frieden» vereint insgesamt 40 Musiker aus Israel, Nordafrika, Griechenland, Frankreich, Italien und Spanien. Die Kommunikation zwischen künstlerischem Leiter und Ensemble während der Probenarbeit lief daher in verschiedenen Sprachen, wie Jordi Savall am Rande der Premiere erzählt. Der Katalane konnte für die Ruhrtriennale seine großen Erfahrungen im Bereich interkultureller Musikprojekte einbringen. «Als wir mit den Vorbereitungen zu Jerusalem begannen», so der Musiker, «prophezeiten uns viele: Ein unmögliches Projekt, so etwas lässt sich nicht verwirklichen, Künstler so verschiedener Herkunft zu vereinen!»

Da spielt zum Beispiel ein Armenier mit einem Türken und einem Palästinenser zusammen. «In der Tat war es am Anfang schwierig; es gab viele komplexe Fragen in unserer Zusammenarbeit zu beantworten», so Savall. Im Laufe der Vorbereitungen sei jedoch eine wunderbare Atmosphäre zwischen den Künstlern entstanden: «Wir haben nicht nur intensiv miteinander gearbeitet - wir haben auch viel zusammen gelacht!»

Dass die Heilige Stadt nicht nur ein Ort ist, an dem sich alle Spannungen der Welt verdichten, sondern auch die Hoffnung auf einen universalen Frieden weiterlebt, drückt sich am Ende des Konzertes aus. Alle Sänger und Musiker versammeln sich auf der Bühne zu einem großen Lobgesang auf Jerusalem - einem Gesang, den am Ende einmal die ganze Welt gemeinsam singen soll.